“Wenn meine Tochter eine Frau heiratet, schmeiß ich mich vom Dach.” Das sagte mein Vater, als ich ihn fragte, wie er reagieren würde, würde ich rein hypothetisch eine Frau heiraten.
Eine bucharische, feministische, queere Frau zu sein ist sehr belastend. Vor allem in dieser konservativen Gemeinde in Wien. Die Leute leben ihr leben lieber versteckt als ihre Kinder, Brüder und Schwestern so zu akzeptieren, wie sie sind. Und wie sie nunmal sind, passt nicht ihr Weltbild rein. Nicht in die Gesellschaft, die sie sich aufgebaut haben. Nicht in die Traditionen und Sitten, die sie aus Tadschikistan oder Usbekistan nach Wien brachten.
Doch was sie nicht verstehen: Unsere Generation ist anders aufgewachsen. Offener und freier. Liberaler und toleranter. Anders denkend und hinterfragend. Abenteuerlicher und nicht zurückhaltend. Wir sind die erste Generation, die anders ist. Und anders ist gut.
Mit der Realität leben zu müssen, dass meine Familie mich nicht akzeptiert, mich eigentlich nicht kennt, und ich eine Art Doppelleben führe, bedrückt mich. Warum kann ich unter meinen Freund:innen ich sein, aber muss eine Maske aufsetzen, um meiner Familie gerecht zu werden?
Bei uns sagt man immer, dass Familie das Wichtigste ist und sie immer hinter einem steht. Familie ist immer für einen da und liebt einen bedingungslos. Doch für mich ist das nicht die Realität. Die bucharischen Gemeinde in Wien ist nicht perfekt und nicht fehlerfrei. Jüdischer Mann darf nur jüdische Frau heiraten. Frau muss bis zur Hochzeit Jungfrau sein. Kinder werden von der Frau erzogen. Frau kocht. Frau putzt. Frau wäscht. Mann arbeitet.
Ehre
Konservativ und eingeschränkt ist die Sicht der bucharischen Gemeinde. Homosexuelle Buchar:innen gibt es nicht. Zumindest nicht geoutete. Ich zähle zu der Handvoll queeren bucharischen Personen hier in Wien. Die anderen, die ich kenne, erzählen mir teilweise immer dasselbe. “Die Familie würde das niemals akzeptieren”. “Die Ehre meiner Familie, die Stellung des Namens innerhalb der Gemeinde könnte dadurch durch den Dreck gezogen werden”. “Ich trau mich das nicht, ich lebe es hinter verschlossenen Türen aus und niemand aus meiner Familie weiß es”.
“Die Ehre der Familie nicht zerstören.” Das Bild, welches die Gemeinde von einem hat, darf durch keine Schönheitsfehler gestört werden. Es wird ein gewisses Bild nach außen getragen. Selbst wenn das heißt, dass ich hier sogar unter einem Synonym schreiben muss, damit niemand erfährt, wer ich bin. Selbst wenn das heißt, dass ich niemals ich selbst sein kann und niemals sein werde. Selbst wenn das heißt, dass ich meine Geburtsstadt verlassen muss, um frei zu sein. Selbst wenn das heißt, dass meine Familie mich niemals zu hundert Prozent akzeptieren wird.
Ich habe die Hoffnung, dass es eines Tages dazu kommt, dass ich unbeschwert und offen mein Leben ausleben kann. Sei es mit Mann oder Frau, mit Menschen egal welcher sexuellen Orientierung und wie auch immer sie sich identifizieren. Ich bin ich. Und das ist auch gut so.