The good, the bad and the Token one
Wie sich die Kleinstgruppe Judeobolschewiener:innen* und andere Clowns von Antisemit:innen instrumentalisieren lassen
In jedem politischen Kampf und aktivistischen Diskurs stößt man früher oder später auf Tokenism. Ob Konservative in den USA schwarze Menschen wie Candace Owens oder Kanye West als Aushängeschild verwenden, um ihren Rassismus zu legitimieren oder Israelhasser:innen, die sich die “echten Juden” herauspicken, um ihren Antisemitismus auszuleben. Die Beispiele sind endlos.
Also tacheles, wir wollen euch erklären, welche Rollen Tokenism erfüllt und wo ihr ihn finden könnt, besonders im jetzigen Diskurs zu Israel und was seine Folgen im Kampf gegen Antisemitismus sind.
Unter Tokenism verstehen wir die Praxis, einzelne, nicht repräsentative Stimmen aus marginalisierten Gruppen als Aushängeschild zu benutzen, um politische Meinungen, oft in Bezug zu dieser marginalisierten Gruppe, zu legitimieren. Tokenism ist also eine diskursive Praxis, die durch eine rein symbolische Hervorhebung marginalisierter Menschen versucht, die weit verbreiteten Meinungen einer größeren Gruppe, oft der Mehrheitsgesellschaft, zu rechtfertigen.
Nehmen wir als erstes und relevantestes Beispiel in Österreich die Gruppierung namens Judeobolschewiener:innen (JBW).
Die JBW sind eine Gruppierung antizionistischer Juden und Jüdinnen. Ihre ganze aktivistische Existenz basiert auf der Delegitimierung und der einseitigen Kritik Israels. Diese Einseitigkeit zeigt sich zum Beispiel dadurch, dass ihr Instagram-Account seit dem siebten Oktober jegliche Handlungen Israels dämonisiert und Israel des Genozids bezichtigt. Zudem ist immer noch ein Post online, der die seit langem bereits widerlegte Aussage enthält, die IDF habe , das Al-Ahli Spital im Gazastreifen bombardiert. Ich bin mir sicher, niemand, der:die sich mit ihnen auch nur eine Sekunde auseinandergesetzt hat, ist davon überrascht. Auf deren Account ist Empathie mit den israelischen Opfern der Hamas und die Verurteilung deren antisemitischen Terrors kaum oder nur kläglich zu finden. Für uns kommt das alles nicht überraschend. Und für euch?
Obwohl Solidarität mit Jüdinnen und Juden für sie scheinbar keine große Rolle zu spielen scheint, positionieren sich die Mitglieder:innen der JBW dennoch als ein legitimes Sprachrohr jüdischer Stimmen in Wien. Ihnen scheint dabei auch völlig egal zu sein, dass sie weder eine gewählte Institution sind, noch repräsentativ die Lebensrealitäten von Juden und Jüdinnen in Wien darstellen. Die Bedrohung ihres Handelns und ihres vermeintlichen Aktivismus für die jüdische Sache liegt nicht nur darin, dass sie sich mit einschlägig bekannten Antisemit:innen wie Nicole Schöndorfer und Vereinen wie Dar Al-Janub und BDS Austria solidarisieren, diese bewerben und ihnen dabei bewusst oder unbewusst einen Kosherstempel verpassen, sondern auch darin, dass sie Jüdinnen und Juden in zwei Lager unterteilen: in die guten antizionistischen JUDEN und in die bösen zionistischen JUDEN.
In der verzerrten Wahrnehmung der JBW als auch für die jüdische Journalistin Emilia Roig ist Zionismus gleichbedeutend mit Rassismus und Kolonialismus. So sagte Emilia Roig am 9. Dezember bei einer Diskussionsveranstaltung mit dem Titel “Jüdischsein im antisemitischen und philosemitischen Klima Deutschlands” in Berlin, der Zionismus sei kein integraler Bestandteil des Judentums, sondern eine Ideologie des 20. Jahrhunderts, die von einer Minderheit einflussreicher aschkenasischer Juden vorangetrieben und von westlichen Großmächten unterstützt werde. Dass sich Roig mit dieser Aussage selbst in die Ecke der antisemitischen Diskurse und Narrative begibt, scheint ihr dabei zu entgehen. Jüdin oder Jude zu sein ist natürlich nicht gleichbedeutend mit Zionistin oder Zionist zu sein. Gleichzeitig aber zu negieren, dass 95% aller Jüdinnen und Juden sich als zionistisch verstehen, ist schlicht und ergreifend weltfremd.
Liebe Emilia, es stimmt sicherlich, dass der Zionismus kein integraler Teil des biblischen Judentums war. Gleichzeitig hat sich leider für das jüdische Volk herausgestellt, dass der Antisemitismus ein integraler Teil der Gesellschaften von Deutschland bis in den Yemen geworden ist. Somit musste und wurde der Zionismus nicht nur ein zentraler Teil unseres Judentums, sondern auch der essentiellste Teil unserer Überlebensstrategie.
Kernpunkt der uns meistens leider nur allzu gut bekannten jüdischen Tokens von Emilia Roig bis JBW oder weiterer auch in Wien ansässiger Teile der jüdischen Gemeinde, die es leider nur zu gut verstehen, sich mit ihrem Nischennarrativ prominent medial in Szene zu setzen, betonen Folgendes: Wie ehrbar und wichtig es doch sei, sich als Mensch mit familiärer Genoziderfahrung und Verfolgung für eben genau von solchen Schicksalen betroffene Menschengruppen einzusetzen. Doch genau diesen Teil der Herkunft oder familiären Vergangenheit als Argumentationsstrang zu verwenden, um sich für andere einzusetzen, ist weit entfernt von ehrbar. Jüdinnen und Juden implizit oder explizit eine Verantwortung zuzuschreiben, die sie auf Grund ihrer Vergangenheit zu erfüllen haben, zeichnet ein zutiefst problematisches Weltbild. Jüdinnen und Juden haben keine spezielle oder vermehrte Verantwortung, das Leid dieser Welt zu verhindern, nur weil sie regelmäßig Opfer von Pogromen und Völkermorden wurden. Es stehen nämlich weder die israelische Zivilbevölkerung noch Jüdinnen und Juden als Kollektiv in irgendeiner Bringschuld dem palästinensischen Volk gegenüber.
Im Gegensatz zu dem, was das Bündnis der Judeobolschewiener:innen glauben mag, ist es keine Glanzleistung, von klar antisemitischen Vereinigungen wie BDS Austria oder Dar Al-Janub als jüdisches Sprachrohr benutzt zu werden. Es ist weder Privileg noch Ehre, sondern die niederträchtigste Form des Tokenisms. Die Intention dieser Vereinigungen spielt hier maßgeblich die Rolle der Niedertracht und der Verächtlichkeit. Es geht ihnen nicht darum, echte Repräsentation jüdischer Stimmen zu propagieren, sondern darum, eine Minderheitenmeinung künstlich aufzublasen und das Unsagbare sagbar zu machen.
Wir möchten in aller Deutlichkeit sagen: Wer sich als jüdisches Kollektiv oder Aktivist:in bezeichnen und feiern lässt, wenn es um den Krieg Israels mit der Hamas und um die Solidarisierung mit der palästinensischen Zivilbevölkerung geht, jedoch nicht bereit ist, sich weder am 7. Oktober noch am internationalen Holocaust Gedenktag mit den eigenen Leuten zu solidarisieren und der Opfer zu gedenken, hat kein Recht, als jüdisches Sprachrohr auch nur den kleinsten Platz im öffentlichen politischen Diskurs einzunehmen. Wer wiederholt einschlägige Falschmeldungen über den Krieg mit der Hamas teilt und propagiert, Zionismus als jüdischen Faschismus diffamiert und damit jüdisches Leben gefährdet und seine jüdische Identität für seinen eigenen politischen und persönlichen Profit missbraucht, kann niemals ein valider Gesprächspartner oder ein Verbündeter im Kampf gegen Antisemitismus sein.
Wer aktiv zu einer besseren Welt beitragen will, in der Antisemitismus, Rassismus und Islamismus keinen Platz haben, der kann und darf sich nicht als Token instrumentalisieren lassen. In der Welt, in der wir leben möchten, in der alle ein gutes Leben haben, hat dieser rückgratlose „Aktivismus“, der von den JBW und Menschen wie Emilia Roig getragen wird, keinen Platz. Er bedeutet nämlich für Jüdinnen und Juden, realer Gewalt ausgesetzt zu sein.
Blondie & Gscheit