UN und Frauenrechte: Ernsthaftes Engagement oder bloße Farce?
Die Gründung der UN hatte zum Ziel, die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern und die Gleichberechtigung der Frauen sicherzustellen. Sitzen jedoch die falschen Akteur:innen an den Schalthebeln des Systems und werden jüdische Frauen nicht mit einbezogen, kann dieses Ziel nicht erreicht werden.
Als die UN 1945 gegründet wurde, lag die Welt nach einem der grausamsten Kriege, den die Menschheit je erlebt hatte, in Trümmern. Ihr Ziel war es, einen Staatenbund zu schaffen, der Krisen und Kriege abwendet, die Menschenrechte fördert und die Gleichberechtigung der Geschlechter sicherstellt. Trotz des wachsenden Bewusstseins für diese Themen weicht die Umsetzung dieser Zielsetzung zunehmend den politischen Machtkämpfen der Mitgliedstaaten und damit der Voreingenommenheit “unabhängiger” Organisationen.
Die jüngste Übernahme des Vorsitzes der UN-Frauenrechtskommission durch Saudi-Arabien im April unterstreicht dieses Entwicklung. Saudi-Arabien drängte sich durch intensive Lobbyarbeit in das entstandene Vakuum nach der Rückgabe des Vorsitzes durch die Philippinen und die restlichen UN-Mitgliedstaaten rühmten sich einer erschreckenden Passivität. Bei der Wahl des Vorsitzes gab es weder eine:n Gegenkandidat:in noch eine Abstimmung, um die Ernennung Saudi-Arabiens zu verhindern zu können.
Die UN macht den Bock zum Gärtner
Angesichts Saudi-Arabiens trauriger Bilanz in Bezug auf Frauenrechte stellt deren Ernennung zum Vorsitzenden des Gremiums für die „Gleichstellung und Förderung von Frauenrechten“ eine absurde Farce dar. Reformen wie die Erlaubnis des Autofahrens für Frauen wurden als Imagepolitur nach außen präsentiert, doch bleiben in diesem konservativen Land zutiefst patriarchale Strukturen bestehen. Frauen müssen die Erlaubnis eines männlichen Vormunds einholen, um heiraten zu können, und selbst nach der Eheschließung bleiben sie weiterhin verpflichtet, ihren Männern in „angemessener Weise“ zu gehorchen; dies, weil ihr „Gehorsam“ für ihre finanzielle Unterstützung entscheidend ist. Die Weigerung, mit ihrem Mann Sex zu haben, in der ehelichen Wohnung zu leben oder mit ihm zu reisen, wird als „Ungehorsam“ angesehen. Frauenrechtsaktivist:innen, die diese Situation kritisieren, werden regelmäßig inhaftiert. Somit kann in Saudi Arabien keine Rede von Achtung der Frauen sein.
Die politischen Interessen der Mitgliedstaaten und die Besetzung wichtiger Positionen durch ungeeignete Akteur:innen sind jedoch nicht die einzigen Hindernisse für die Förderung der Geschlechtergerechtigkeit und den Kampf gegen geschlechterbasierte Gewalt auf UN-Ebene. Auch die UN-eigene und staatenunabhängige Organisation UN Women zeigt sich selektiv im Schutz und in der Förderung von Frauenrechten. Dies wurde nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober tragisch deutlich.
Als Organisation, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzt und für die Stärkung von Frauen und Mädchen engagiert, nimmt UN Women eine zentrale Rolle im UN-System ein. Ihre Arbeit umfasst die Zusammenarbeit mit Regierungen, die konkrete Projektarbeit vor Ort sowie die Koordination und Förderung der Arbeit des UN-Systems im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit. Ein entscheidender Schwerpunkt liegt auf der Bekämpfung von sexualisierter und geschlechterbasierter Gewalt.
Selektiver Feminismus der UN-Organisation
Die Stille dieser Organisation zur sexualisierten und geschlechterbasierten Gewalt des 7. Oktober war daher ein Schlag ins Gesicht für Jüdinnen und Juden weltweit. Schon kurz nach dem Massaker der Hamas wiesen Expert:innen auf den systematischen Einsatz von sexualisierter und geschlechterbasierter Gewalt hin. Überlebende und Zeug:innen berichteten von zahlreichen Vergewaltigungen von Mädchen und Frauen. Rettungsteams stellten schwere Verletzungen fest, die auf brutale Übergriffe hindeuten, die entweder kurz vor oder nach der Tötung von Israelinnen stattgefunden hatten. So gab es Berichte von Hilfskräften bei der Militärbasis Shura, die weibliche Opfer entblößt fanden. Medizinisches Personal berichtete von Überlebenden, die eindeutige Anzeichen von sexualisierter Gewalt zeigten.
Obwohl Hamas-Kämpfer diese Gräueltaten für die gesamte Welt in Echtzeit mitfilmten und kurz nachher etliche offizielle Stellen von diesen Horrorszenen berichteten, konnte oder wollte UN Women die sexualisierte und geschlechterbasierte Gewalt der Hamas nicht sofort anerkennen und verurteilen. Es reichte scheinbar nicht aus, dass Überlebende und medizinisches Personal von den geschlechterbasierten Gräueltaten berichteten, um diese zu verurteilen. Im Angriffskrieg Russlands hat UN Women hingegen reagiert und eine Untersuchung der sexuellen Gewalt gefordert. Und auch allgemeine Erklärungen zur Eskalation der Gewalt im Nahen Osten und zur Situation der Palästinenserinnen in Gaza veröffentlichte die Organisation sofort nach dem 7. Oktober.
Selbst nach intensivem Druck durch die israelische und jüdische Zivilgesellschaft erfolgte erst im Dezember die Anerkennung und Verurteilung der Vorfälle durch UN Women. Der offizielle UN-Bericht im März bestätigte schließlich die Vergewaltigungen während des Hamas-Massakers an zahlreichen Orten. Die verzögerte Anerkennung dieser Gräueltaten verdeutlicht, dass selbst unabhängige UN-Organisationen nicht immun gegen Antisemitismus sind. Selbst UN Women erlag dem einfachen Narrativ des Staates Israel als Aggressor und den Palästinenser:innen als Opfer. Scheinbar hatten diese Organisationen Schwierigkeiten, das mit der Realität des Hamas-Angriffs, der eindeutig israelische Frauen und Kinder zum Ziel hatte, zu vereinen.
So weit, so schlecht, wie kommen wir nun weiter? Klar muss jedenfalls sein, dass das Festhalten an einem System, in dem Mitgliedstaaten vorwiegend ihre Eigeninteressen und nur untergeordnet die Förderung von Frauenrechten verfolgen, zu Folgendem führt: Ungeeignete Akteur:innen besetzen Schlüsselpositionen und UN-eigene Organisationen sind nicht bereit, für die Frauenrechte aller einzustehen. Frauenrechte werden auf UN-Ebene nicht nachhaltig und bedeutsam vorangetrieben. Mit der derzeitigen, völlig deplatzierten Besetzung des Gremiums „Gleichstellung und Förderung von Frauenrechten“ durch Saudi-Arabien zeigt sich einmal mehr die Doppelzüngigkeit der UN. Erst wenn diese Gremien und Vorsitze durch würdige und geeignete Länder und Vertreter:innen besetzt werden, wird sich die UN als integre Institution erweisen können. Bis dahin bleibt der Kampf der UN gegen genderbasierte Diskriminierung ein rüchgratloses Kasperlstheater.
Adina Frey