Die freiheitliche Partei, neue alte Nazis
Walter Rosenkranz als Beispiel
Seit seiner Angelobung hat Walter Rosenkranz immer wieder bedauert, von Teilen der jüdischen Gemeinde Wiens nicht akzeptiert zu werden und ebenso, dass ihm der Dialog verweigert und bei Veranstaltungen nicht die Hand gereicht wird. In einem Interview für den Standard am 26. Oktober 2024 wünscht er sich „Eine bessere Aufklärung bezüglich der Verdienste von Studentenverbindungen für die Demokratie und die österreichische Republik“. Das damit einhergehende Missverständnis hat auch zum Protest beigetragen, bei dem Rosenkranz unter dem Slogan „Wer Nazis ehrt, dessen Wort ist nichts wert.“ daran gehindert wurde, am Judenplatz einen Kranz am Denkmal für die Opfer der Shoah niederzulegen. Rosenkranz fühlt sich beleidigt, er weicht dem Protest.
Vielleicht wäre dies ein guter Zeitpunkt, um dieses Missverständnis aufzuklären. Die Rolle von Studentenvereinigungen oder Burschenschaften in Österreich ist bedeutsam und Rosenkranz hat nicht Unrecht, wenn er sagt, dass eine kritische Aufarbeitung ihrer Geschichte notwendig ist. Er beschreibt sie als „unverzichtbaren Bestandteil in der Geschichte der Staatswerdung, der Demokratie und der Verfassung in Österreich“.
Was war also der Beitrag dieser Organisationen für unsere Demokratie und Verfassung? Worin besteht deren Weltbild und welchen Einfluss haben die Burschenschaften noch heute?
Aufgrund seiner heutigen Relevanz und seiner langjährigen Geschichte in der freiheitlichen Partei und in schlagenden Studentenverbindungen dient Walter Rosenkranz als gutes Beispiel, um diese Fragen zu beantworten und, um die Geschichte dieser “missverstandenen” Organisationen zu betrachten.
Studentenverbände haben die politische Landschaft in Österreich tatsächlich geprägt. Seit dem frühen 19. Jahrhundert ebneten sie den Weg für spätere politische Bewegungen, die sich durch ihren rassistisch geprägten Volksbegriff und durch ihren politischen Antisemitismus auszeichnen. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass diese Verbände kein breites Spektrum an Meinungen vertreten. Alle relevanten Burschenschaften, die politische Akteure in Österreich hervorgebracht haben, stützen sich auf eine gemeinsame völkisch-rassistische Ideologie. Deutschnationale Organisationen, insbesondere Burschenschaften, sind seit dem späten 19. Jahrhundert Vorreiter des rassistischen Antisemitismus und nach dem ersten Weltkrieg auch des Nationalsozialismus. Die meisten dieser Verbände organisieren sich seit nun über 150 Jahren nach den “Reinheitsgesetzen”. Diese waren, durch die gute Vernetzung von deutschen und österreichischen Burschenschaften im frühen 20. Jahrhundert, international vereinbart. Diese Prinzipien bleiben bis heute bestehen.
Walter und seine Boyz
Die Burschenschaft „Libertas“, in der Walter Rosenkranz heute Mitglied ist, führte schon 1878 den „Arierparagraphen“ ein, noch bevor der politische Antisemitismus in Österreich zur Jahrhundertwende durch Figuren wie Karl Lueger Gestalt annahm. Ein Wiener Dachverband der Burschenschaften „Akademischer Delegierten Convent“ verankerte den Ausschluss von Juden bereits im Jahr 1889. Solche Ausschlüsse und Arierparagraphen verbreiteten sich schnell in österreichischen Burschenschaften und gingen bald auf Verbände in Deutschland über. Es waren nämlich vor allem österreichische deutschnationale Burschenschaften, die in ihren Dachverbänden die Durchsetzung ihres rassistisch geprägten Antisemitismus erkämpften. Ab 1919 vereinigte sich der Dachverband „Burschenschaft der Ostmark“ (Österreich) mit der „Deutschen Burschenschaft“. Diese wurde zum bedeutendsten Dachverband, der österreichische und deutsche Organisationen nach dem Ersten Weltkrieg vereinte. In diesem war nicht nur die Mitgliedschaft, sondern auch der politische Erfolg an den Antisemitismus gebunden. Burschenschaften, die diesem Weltbild nicht entsprachen, hörten auf zu existieren, und zwar aus Mangel an Mitgliedern und später durch die Übernahme des Nationalsozialismus.
Durch das Verbot der NSDAP unter dem Austrofaschismus von Dollfuß mussten die österreichischen Verbindungen 1933 aus dem öffentlich nazifizierten Dachverband austreten. 1938 würden sich diese Verbände wieder vereinigen, jedoch boten die österreichischen Burschenschaften in der Zwischenzeit einen Nährboden für die Vernetzung von Nationalsozialisten. Zwischen 1934 und 1938 wurden einige Burschenschaften als Tarngruppen der illegalen NSDAP verboten. Der Anschluss an Nazi-Deutschland wurde von der Führung der Deutschen Burschenschaft begrüßt. In den burschenschaftlichen Blättern findet sich dazu: „Was wir seit Jahren ersehnt und erstrebt und wofür wir im Geiste der Burschenschaft von 1817 jahraus, jahrein an uns gearbeitet haben, ist Tatsache geworden.“
Angesichts der Geschichte dieser Burschenschaften gab es nach 1945 in Deutschland keine Mehrheit für die Aufnahme österreichischer deutsch-nationalistischer Burschenschaften in internationale Verbände. Dies änderte sich im Jahr 1971. Österreichischen Burschenschaften stand nun der Beitritt zum Dachverband, der Deutschen Burschenschaft, wieder offen. Die Wiener Burschenschaften „Libertas“ und „Vandalia“ – deren Mitglied Strache war – traten umgehend bei. Kurz darauf wiederholten sich der Rechtsruck und die Radikalisierung der Dachorganisation durch den Einfluss österreichischer rechtsextremer Bünde.
Dieser Hintergrund wurde bis heute nicht kritisch aufgearbeitet. Keine schlagende Burschenschaft hat sich je von ihrem vergangenen Gedankengut distanziert. Auch zieht sich die Kontinuität dieses Weltbilds und dieser Strukturen von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Im Jahr 1957 kontextualisierte Günther Berka, als eine der Führungspersönlichkeiten der Burschenschaft Libertas, den Beitrag seiner Verbandskollegen, die den politischen Antisemitismus in Österreich vorantrieben, angesichts der „Beherrschung des deutschen Kulturlebens durch Juden“. 1967 wird die Entnazifizierung in einer offiziellen Libertas-Festschrift als „Kampf gegen das Deutschtum überhaupt“ beschrieben. Walter Rosenkranz behauptet in dem Burschenschafter-Jubiläumsband von Martin Graf (aus der Burschenschaft Olympia), der studentische Antisemitismus hätte seinen Grund darin, dass „überdurchschnittlich viele Juden Hörer an den Universitäten waren“. 2009 wurde bekannt, dass die Libertas einen Preis für “herausragende Taten im Sinne des national-freiheitlichen Gedankens” an den „Bund Freier Jugend“ verliehen hat. Diese stellte dieser neonazistischen Bewegung, die wegen ihrer Aktivitäten im Visier des Staatsschutzes und der Justiz steht, finanzielle Mittel zur Verfügung und zeigte die ideologische und organisatorische Verbindung der deutschnationalen Burschenschaft zum verbrecherischen Neonazismus auf.
Rassismus gestattet!
Wie bereits erwähnt, gelten die rassistischen und antisemitischen Regeln bezüglich der Mitgliedschaft in Burschenschaften bis heute durchaus nicht nur in einzelnen Burschenschaften, sondern auch im Dachverband der Deutschen Burschenschaft. Oft wirkt das wie ein Relikt einer alten Struktur, einer alten Regel, die einfach nie offiziell gestrichen wurde. Tatsächlich wird jedoch die anhaltende Gültigkeit des Arierparagraphen wiederholt unterstrichen und verteidigt. Als 2011 erneut ein interner Streit der Deutschen Burschenschaft um die Gültigkeit dieses Paragraphen entbrannte, stellte sich unter anderem die Libertas auf die Seite der Gültigkeit dieser Bestimmung. Sie protestierte „gegen jede Bestrebung, die Abstammung als notwendige Voraussetzung deutscher Volkszugehörigkeit allgemein oder in Einzelfällen für entbehrlich zu erklären“.
Um zusammenfassend zum Zitat ‚Rosenkranz‘ zurückzukehren, in dem dieser Burschenschaften als „unverzichtbaren Bestandteil in der Geschichte der Staatswerdung, der Demokratie und der Verfassung in Österreich“ beschreibt.
Es gibt in Österreich kaum Organisationen, auf die man mehr hätte verzichten können, die für unsere Demokratie schädlicher und verfassungsfeindlicher waren als Studentenverbände. Speziell die Burschenschaft Libertas, lässt sich mit ihrem rassistisch und antisemitisch geprägten Gedankengut und ihrer bis heute anhaltenden Kontinuität zu diesem, hervorheben.
Damit besteht hoffentlich kein Missverständnis mehr. Walter Rosenkranz dient als Paradebeispiel für den parlamentarisch legitimierten Rechtsextremismus, wie seine Burschenschaft Libertas als Paradebeispiel für die Kontinuität von deutschnationalem und neonazistischem Gedankengut von der Jahrhundertwende bis heute dient.
Maximilian Thau