Die Novelle des Verbotsgesetzes: Verstärkter Schutz gegen NS-Ideologie?

Die Novelle des Verbotsgesetzes: Verstärkter Schutz gegen NS-Ideologie?

Letzten Monat brachten die JöH und der Jurist Bini Guttmann mehrere Sachverhaltsdarstellungen (umgangssprachlich: „Anzeigen“) gegen die FPÖ, führende Politiker:innen der FPÖ und Personen in ihrem Umfeld wegen Verharmlosung der Shoah und NS-Wiederbetätigung ein. Diese Anzeigen verdeutlichen, dass das österreichische Verbotsgesetz – ein Mittel zur Bekämpfung nationalsozialistischer und antisemitischer Tendenzen – von der Zivilgesellschaft aktiv genutzt wird, um demokratische Werte zu schützen. 

Das Verbotsgesetz ist aber auch weit mehr als ein Werkzeug der Zivilgesellschaft. Seit Beginn der Zweiten Republik schützt es als zentrales Staatsgesetz die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor der Wiederkehr nationalsozialistischer Ideologien und Organisationen. Gerade in Zeiten wachsender extremistischer Bewegungen und vermehrter Leugnung und Verharmlosung von NS-Verbrechen bleibt es ein unverzichtbares Werkzeug des österreichischen Rechts. 

Vor der Novelle 2023 war der Maßstab für Verurteilungen und das Strafmaß sehr hoch, wodurch Verurteilungen gerade bei weniger schwerwiegenden Verstößen oft schwer zu erreichen waren. So musste beispielsweise eine Verharmlosung „gröblich“ sein, um strafbar zu sein. Das Verbotsgesetz wurde dadurch den Herausforderungen der digitalen Ära und einer wandelnden Gesellschaft nicht mehr gerecht. 

Entstehung und Entwicklung des Verbotsgesetzes

Das österreichische Verbotsgesetz wurde am 8. Mai 1945 als unmittelbare Antwort auf die Verbrechen des NS-Regimes verabschiedet und gilt bis heute als eines der zentralen Instrumente zur Bekämpfung nationalsozialistischer Aktivitäten und Ideologien. Neben dem Verbot der NSDAP und ihrer Organisationen kriminalisiert das Gesetz die Verbreitung von NS-Gedankengut und die Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen. 

Zentral sind die Strafbestimmungen, die das Leugnen, Verharmlosen oder Gutheißen der Shoah sowie anderer NS-Verbrechen unter Strafe stellen. Hierbei spielt der Begriff der „Betätigung im nationalsozialistischen Sinn“ eine wichtige Rolle. Dieser ist breit gefasst und umfasst eine Vielzahl von Handlungen. Bereits eine einfache Darstellung von NS-Ideologie kann zur Strafbarkeit führen. 

Als Verfassungsgesetz genießt das Verbotsgesetz in Österreich besonderen Schutz. Änderungen bedürfen einer Verfassungsmehrheit, und alle staatlichen Organe sind verpflichtet, das Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung konsequent umzusetzen. 

Die Novelle 2023: Modernisierung und Anpass-ung

Die am 1. Jänner 2024 in Kraft getretene Novelle zielt darauf ab, umfassender gegen jegliche Verherrlichung von NS-Gedankengut vorzugehen, auch bereits geringfügige Akte der Wiederbetätigung zu sanktionieren und verurteilte Täter:innen automatisch aus dem Staatsdienst zu entfernen. 

Vor der Reform waren die Strafdrohungen zwar hoch, doch der Maßstab für Verurteilungen oft zu schwer zu erfüllen. Die Abschaffung der Voraussetzung, dass Verharmlosung, Gutheißung oder Rechtfertigung von NS-Verbrechen „gröblich“ sein mussten, ermöglicht es nun, auch geringfügige Taten (wie NS-Postings in sozialen Medien) leichter zu ahnden. 

Die Novelle strukturiert die zentralen Strafbestimmungen in ein Grunddelikt und qualifizierte Tatbestände. Das Grunddelikt erfasst geringfügige Verstöße, wie etwa den Hitlergruß, und sieht einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren vor. Die Einführung eines niedrigen Strafrahmens ermöglicht es, diese Fälle auch diversionell zu erledigen. Diversion umfasst Maßnahmen wie Geldzahlungen, gemeinnützige Arbeit oder eine Betreuung durch Bewährungshelfer:innen und bietet insbesondere Personen ohne gefestigte Ideologie eine Chance auf Verhaltensänderung. 

Schwerwiegendere Taten, die beispielsweise NS-Ideologie in großem Umfang verbreiten oder besonders gefährlich sind, werden als qualifizierte Straftaten behandelt und können mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden. 

Die strafbaren Handlungen umfassen ein breites Spektrum: Holocaustleugnung, die das bewusste Bestreiten der Shoah, auch in Teilen, umfasst, ist nun unabhängig von ihrer öffentlichen Reichweite strafbar. Verharmlosung liegt vor, wenn NS-Verbrechen relativiert oder bagatellisiert werden, beispielsweise durch Gleichsetzungen mit weniger gravierenden Ereignissen. Verherrlichung nationalsozialistischer Ideologie umfasst die Propagierung von NS-Gedankengut durch Reden, Symbole oder Publikationen. Auch die Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda, etwa durch NS-Devotionalien oder Schriften, bleibt strafbar.   

Neu ist der automatische Amtsverlust für verurteilte Personen, wodurch diese keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden dürfen – ein notwendiger Schutz staatlicher Institutionen vor extremistischen Einflüssen. 

Schließlich wurde die inländische Gerichtsbarkeit auf Auslandstaaten ausgeweitet, die in Österreich abrufbar sind und den österreichischen Rechtsfrieden gefährden. Diese Regelung trägt der zunehmenden Digitalisierung Rechnung und ermöglicht eine grenzüberschreitende Verfolgung. 

Rechtliche Einordnung und Ausblick: Stärkung im Kampf gegen NS-Verherrlichung

Nach jahrelanger Kritik hat die Politik mit der Novelle 2023 endlich reagiert. Es ist erfreulich, dass alle Parteien – mit Ausnahme der FPÖ – diese wichtige Reform beschlossen haben. Ein führender FPÖ-Nationalratsabgeordneter, Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft „Olympia“, bezeichnete die Novelle als „überschießend“ und argumentierte, dass dadurch womöglich auch Hochzeitsfotos von Großvätern in Soldatenuniform eingezogen werden könnten. Offenbar sieht allein die FPÖ ein Problem darin, dass Relikte der NS-Zeit nicht mehr ungeniert als vermeintliches Erbe zur Schau gestellt werden dürfen.

Die Absenkung der Hürden für Verurteilungen ist zu begrüßen, da sie nicht nur die Verfolgung geringfügiger Verstöße erleichtert, sondern auch die Möglichkeit schafft, Täter:innen ohne gefestigte Ideologie durch alternative Maßnahmen wie die Diversion einen gangbaren Weg zur Abkehr von NS-Gedankengut zu eröffnen. Gleichzeitig bleibt der Staat durch die hohen Strafandrohungen für schwerwiegende Taten handlungsfähig und signalisiert klar, dass extremistische Ideologien keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.

Die Einführung des automatischen Amtsverlusts sollte künftig sicherstellen, dass Personen mit NS-Ideologie konsequent aus staatlichen Institutionen entfernt werden. Hier ist die Zivilgesellschaft gefordert, durch akribische Recherchen und Sachverhaltsdarstellungen solche Fälle aufzudecken – ohne sich weiterhin auf freiwillige Rücktritte infolge öffentlichen Drucks verlassen zu müssen. 

In einer Zeit, in der Antisemitismus und NS-Verherrlichung wieder zunehmen, stärkt die Reform des Verbotsgesetzes die rechtlichen Mittel und ermöglicht entschiedenes Handeln. Die verbesserten Instrumente erfordern nun entschlossenes Vorgehen sowohl der Zivilgesellschaft als auch der staatlichen Institutionen, um NS-Ideologien in allen Formen konsequent zu bekämpfen. 

Beni Hess

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