Fanpost an die JöH
Liebe Leser:innen,
Leider ist es länger her, dass wir uns die Zeit genommen haben, die Nachrichten unserer treuen Fans zu beantworten. In letzter Zeit waren unsere Noodniks damit beschäftigt, Unruhe zu stiften. Kürzlich haben einige vor den letzten Nationalratswahlen eine Mahnwache abgehalten, um vor den Gefahren des parlamentarisch legitimierten Rechtsextremismus zu warnen. Zudem wurde eine Kranzniederlegung von Walter Rosenkranz am Judenplatz verhindert. Dabei scheinen unsere Noodniks vielen Leuten sauer aufgestoßen zu sein. Die besonders kritischen, durchdachten und herausfordernden Nachrichten möchten wir hier nun beantworten. Trotz des Namens Jüdische österreichische Hochschüler:innen scheint in unserer Fangemeinschaft immer noch ein Missverständnis darüber zu bestehen, welchem Staat wir nun angehören. Wir haben hier drei Nachrichten, die repräsentativ dafür sind, welche Perlen sich regelmäßig in unserem Postkasten finden.
Der liebe Anton schreibt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
vorab: Ich bin KEIN FPÖ-Wähler, wurde 1948 in Österreich geboren! Verurteile diverse Geschehnisse in der Zeit davor auf das Schärfste!! Ich habe bei jeder Gelegenheit Israel unterstützt! Jedoch die Missachtung, die die jüdischen Hochschülerschaft dem österreichischen Gastrecht entgegengebrachte (Demo bei Kranzniederlegung durch einen Vertreter von unserem Parlament) ist mindestens genauso zu verurteilen! Derartige Unruhestifter sollten dies in ihrem Land machen!! Nach den unterschiedlichsten Berichten (im Fernsehen) hat sich meine Einstellung etwas verändert!
NOODNIK: Danke dir vielmals für die Nachricht, Anton! Wie schön, dass du es schaffst, „diverse Geschehnisse“ vor 1948 zu verurteilen. Das zeichnet dich als einen belesenen und geschichtsaffinen Mann aus, jedoch untergräbst du diesen Eindruck umgehend durch die dann folgenden Sätze. Findest du wirklich, dass der Protest gegen die Kranzniederlegung von Rosenkranz genauso zu verurteilen ist wie die „diversen Geschehnisse“ vor deiner Geburt? Ich weiß nicht, ob das als Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus gilt oder ob das als Beleidigung unserer heutigen Noodniks zu werten ist. Eine interessante Wertung allemal.
Die größte Unwissenheit deiner Nachricht findet sich aber in der Aussage, wir würden österreichisches Gastrecht missachten. Tut mir leid, dir das erklären zu müssen, aber wir sind österreichische Staatsbürger:innen und demnach nicht deine Gäste, sondern deine Landsleute. Uns als Unruhestifter zu bezeichnen, ist hingegen akkurat. Dies machen wir jedoch nicht als unverfrorene Gäste ohne Respekt für die österreichische Gesellschaft, sondern als Österreicher ohne Respekt für fehlende Distanz zum Nationalsozialismus.
Mit so einem Benehmen werdet ihr NIE irgendwo in Frieden leben können!!
In Österreich gab es demokratische Wahlen!!
Das Volk hat so gewählt! Ob es richtig war, wird die Zukunft weisen!! Wem das nicht gefällt, der soll hingehen, wo es seiner Meinung nach besser ist!
Sonst kann man solche Personen ebenfalls nur unter „SOZIALSCHMAROTZER“ einordnen!
Sie beziehen Unterstützung von Österreich, haben die Möglichkeit hier zu studieren, u.s.w.!! Bitte verhalten Sie sich danach!! Ihren Frust können sie an den israelischen Kriegsfronten ausleben!
Ohne freundliche Grüße
Anton
NOODNIK: Wie du als geschichtsaffiner und belesener Bürger sicherlich weißt, ist es nicht (nur) unser nerviges Verhalten, das uns das Leben in Frieden unmöglich macht, sondern vor allem das Gedankengut von mit Schmissen geschmückten Menschen wie Herrn Rosenkranz. Aber ja, wären 6 Millionen von uns weniger nervig gewesen, hätten sie weiter in Frieden leben können. Dann hätten wir uns die Missachtung des Gastrechts sparen können.
Danke Anton, dass du deinen Gesellschaftsbegriff und Geschichtsverständnis offen demonstriert hast, die meisten gehen mit ihren Verblendungen nicht so offen um.
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Der liebe Manfred aus Kärnten schreibt (von seiner Arbeitsemail):
Solche fetzenblöden Leute gehören vertrieben.
Auf unsere Kosten studieren und leben und dazu noch hetzen!
Lasst euch nicht erwischen….
Wie kann man einmal nur so blöd sein??
Hauts euch über die Häuser, sonst hauen wir euch über die Häuser!
NOODNIK: Mir ist das Vorurteil, dass Juden und Jüdinnen keine Steuern zahlen, wohl bekannt. Vom ÖH-Beitrag sind wir jedoch leider noch nicht befreit. Also muss ich dir leider widersprechen, Manfred, noch studieren wir nicht auf deine Kosten.
An dieser Stelle würde ich auch gern unseren Leser:innen davon abraten, mit ihrer beruflichen E-Mail Adresse Beleidigungen und Drohungen abzuschicken. Selbst wenn man gerade vor dem Computer sitzt und sich über einen ZIB Beitrag derart in Rage bringen lässt, dass man dieses Judenpack am liebsten selber “über die Häuser hauen würde”, empfiehlt sich dennoch eines: Kurz durchatmen und sich dann einen throwaway gmail-account zu erstellen, um damit seine strafrechtlich relevanten Drohungen zu verschicken.
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Andy:
Hallo, ich möchte eines klarstellen.
Wir haben in Österreich eine funktionierende Demokratie. Solltet ihr damit ein Problem haben, gibt es in jedem Reisebüro Tickets für die Heimreise nach Israel. Hier in Österreich erwarten wir, dass ihr euch benehmen könnt. Jeder kann hier wählen, wen er möchte. Und das sollte auch so bleiben, ohne irgendeine Partei zu verunglimpfen oder Lügen zu verbreiten. Wer das nicht begreift, ist in Israel besser aufgehoben.
Der darf dann den Netanjahu wählen.
Viel Spass dabei.
NOODNIK: Danke Andy, für die Belehrung. Als stolze Österreicher:innen geben wir dir Recht, dass man sich hier zu benehmen hat. Unter Benehmen fällt bei uns auch die Aufarbeitung und die Distanzierung von der Nazi-Vergangenheit einer gewissen Partei. Zu schlechtem Benehmen gehört beispielsweise Folgendes: Wenn ein schmiss-geschmückter Politiker und Mitglied einer Burschenschaft, die sich noch 2011 für die rassischen Reinheitsgesetze als Voraussetzung für die Aufnahme von Mitgliedern ausgesprochen hat, das Gedenken an die Opfer des Novemberpogroms für seine politische Optik missbrauchen möchte.
Danke auch dir, dass du ohne jeglichen Zwang unter Beweis gestellt hast, wie ein Durchschnitts-Andy die österreichische Gesellschaft zu definieren in der Lage ist. Ich würde es gern ein letztes Mal unterstreichen, damit auch jemand wie du es versteht: Wir und unsere Vorfahren waren und sind genauso Österreicher:innen wie du. Und: Wir sind in deiner Gesellschaft auch unzufrieden, aber was soll man machen.
Alles Liebe,
Euer NOODNIK