Inszenierte Weiblichkeit
Das Trümmerfrauen-Denkmal als Werkzeug der FPÖ-Gedenkpolitik
Im Schatten des Liebenberg-Denkmals am Burgring sitzt eine nackte Frau aus Bronze auf quaderförmigen Blöcken und starrt ins Leere. Prominent platziert auf dem Privatgrund der Mölker Bastei lässt sie sich nichts von dem Trubel anmerken, den ihre Installation 2018 nach sich zog. Sie wurde auf Initiative des FPÖ-nahen Felder-Instituts errichtet, um den sogenannten „Trümmerfrauen“ zu gedenken – jenen Frauen, die (wie HC Strache es in seiner Eröffnungsrede ausdrückte) „unseren tiefsten Respekt verdient hätten, da Österreich ihnen den Wiederaufbau verdanke”. Sein Einsatz für weibliche Sichtbarkeit im öffentlichen Raum lässt jedoch misstrauisch werden. In Hinblick auf ihren Wahlsieg richten wir den Blick auf die Gedenkkultur der FPÖ: Was symbolisiert die Frau, die hier als Heldin inszeniert wird?
Gedenkpolitik der FPÖ
Wer Denkmäler errichtet, gibt vor, wem oder was gedacht werden soll, in welcher Form kollektives Erinnern stattfindet und wer mitreden darf: So sollte man sich stets fragen, was für eine politische Motivation hinter der Errichtung eines Denkmals steht und welche Narrative dadurch in den öffentlichen Raum eingeschrieben werden. Besonders gilt es, in Hinblick auf die österreichische NS-Mittäterschaft, Kriegs-Mahnmale unter die Lupe zu nehmen und sich zu fragen, ob sie zur Aufarbeitung beitragen oder vielmehr eine Schuldabwehr glorifizieren. Beim Trümmerfrauen-Denkmal schreit einem diese Frage nahezu ins Gesicht: Gerade die FPÖ fällt immer wieder aufgrund fehlender Distanz zum Nationalsozialismus auf, weswegen sie bei vielen öffentlichen Shoah-Gedenkveranstaltungen unerwünscht ist. In Regierungsperioden mit FPÖ-Beteiligung stellte das die Parteiführung vor Schwierigkeiten, denn beim Thema Gedenkpolitik ergibt sich für sie ein zentrales Problem: Wie kann sie öffentlich inszenieren, mit ihrer NS-Vergangenheit gebrochen zu haben, ohne rechte Kernwähler:innen zu verjagen? Ganz einfach: Es muss ein mit Erinnerungsabwehr und Shoah-Relativierung kompatibles Denkmal her, das dem Bruch, den die Darstellung Österreichs als “erstes Opfer” der Nationalsozialisten nach der Waldheim-Affäre teilweise erlitten hat, standhalten kann. So ergab sich in den 80ern eine Neudefinierung des Opferbegriffs auf Ausgebombte und Kriegstote als logische Konsequenz: Die Trümmerfrau bedient dabei das Bedürfnis einer Opferalternative. Ein Mythos wurde geboren, der sich hartnäckig halten sollte.
Der Mythos „Trümmerfrau”
Entgegen der öffentlichen Erzählung räumte der überwiegende Teil der Trümmerfrauen Wiens nach Ende des Krieges nicht aus Sorge um die Heimat wieder auf, sondern weil sie als ehemalige Nazis dazu zwangsverpflichtet wurden. Auch, dass jugoslawische Arbeiter:innen einen großen Teil der Wiederaufbauarbeit verrichteten, wird weitestgehend verschwiegen. 1945 wurde eine Arbeitspflicht zum Wiederaufbau eingeführt, wobei bevorzugt ehemalige NSDAP-Mitglieder eingesetzt werden sollten. Dass sie diese Arbeit nicht selbstlos verrichteten, zeigen die über 7000 Klagen auf Entschädigung, die bei der Stadt Wien eingelangten und 1951 bestätigt wurden: So wurden um die 2,7 Millionen Arbeitsstunden nachträglich vergütet. Dass die Antragsteller:innen (95% waren Parteimitglieder oder Wähler:innen) zu 55% männlich waren, zeigt zudem, dass sich der Mythos der Kriegswitwen als treibende Kraft der Aufräumarbeiten nicht halten lässt.
Noch 2005 erweiterte die schwarz-blaue Koalition den Trümmerfrauen-Begriff auf alle Österreicherinnen der Nachkriegszeit und sprach allen Frauen, die vor 1951 Kinder bekamen, eine Einmalzahlung zu: Die Deutung von Reproduktionsarbeit als Wiederaufbauarbeit beschloss eine kollektive Viktimisierung österreichischer Frauen als Opfer des Krieges.
Die (anti-)feministische Symbolik der Trümmerfrau
Das vermittelte Bild der Trümmerfrauen – auch heute noch in den meisten Geschichtsbüchern zu finden – hat eine starke vermeintlich feministisch-emanzipatorische Symbolkraft: Frauen, die den Schutt beseitigen, den der Krieg der Männer hinterlassen hat. Als Symbol für Lebens- und Aufbauwillen waren sie diejenigen, die das Gute im Schlechten sahen, den Karren aus dem Dreck zogen, aus eigener Kraft und mit Liedern auf den Lippen das Land wieder aufbauten.
Mag die Trümmerfrau auf den ersten Blick ein kämpferisches Bild abgeben, so ist sie im Endeffekt bloß eine Personifikation biologistisch-weiblicher Stereotype: Ihre fleißige Tätigkeit fügt sich nahtlos in das rechtskonservative Bild der tüchtigen Mutter ein, die alles in ihrer Macht stehende tut, um die Welt in den Fugen zu halten und Harmonie wiederherzustellen. Tatsächlich wäre also der Begriff “Trümmermutter” passender – eben auch, weil der Akt des Kinderkriegens als Wiederaufbauarbeit entlohnt wurde. In der völkischen Ideologie wird die Trümmerfrau als Urmutter des deutschen Volkes der Nachkriegszeit inszeniert. Der Staat ist der Witwe Ersatz für den Ehemann, dem treu gedient wird, das Volk ist die Familie, für die sie selbstlos arbeitet. Wer dies bestätigt sehen möchte, muss nur einen Blick auf die Tafel unterhalb des Denkmals werfen, die auch erklärt, wieso die Figur halbnackt dargestellt wird:
“Dieses Denkmal zeigt keine Trümmerfrau. Die Figur des Denkmals ist eine Allegorie, eine Genie der Weiblichkeit. Ihr Blick auf das Siegesdenkmal in der Mitte des Platzes stellt uns die Frage nach dem Sinn von Krieg, Sieg und Niederlage«, schreibt der Künstler Magnus Angermeier. »Denn immer sind es die Frauen, welche nach Katastrophen wie Kriegen das Leben wieder in geordnete Bahnen leiten und das freundliche und fruchtbare Sprießen des Lebens von Neuem spenden.”
Ebenfalls dort zu lesen: “Wie so viele Menschen waren die Trümmerfrauen […] Opfer der Kriege und derer, die diese ins Werk setzen. […] Ihr Blick auf das Siegesdenkmal […] stellt uns die Frage nach dem Sinn von Krieg, Sieg und Niederlage.”
Wenn also die FPÖ Mittäterinnen der Shoah als gleichwertige Opfer des Krieges zählt und ihnen als Heldinnen gedenkt, so wohnt dem leeren Blick der Figur vor allem der Hohn über die Opfer der Shoah und die Symbolkraft eines erinnerungsabwehrenden und pseudo-feministischen Gedenkens inne.
Sophia Middeke &
Margareta Felicia Stern
vom KEINE LIEBE Kollektiv