Jüdischer Faschismus

Jüdischer Faschismus

Von Mussolinis Schwarzhemden bis Ben Gvirs jüdischer Stärke

Wenige Begriffe sind wohl so immens aufgeladen, wie der des „Jüdischen Faschismus“. Alleine die Behauptung, dass es so etwas wie Jüdischen Faschismus, oder auch „nur“ jüdische Faschisten gäbe, würde in vielen Ecken der Jüdischen Welt für Empörung sorgen. Der Faschismus ist jedoch eine Ideologie, die sich sehr leicht an die gegebenen Umstände anpassen kann. Bezeichnend hier ist die Verwendung von Gewalt als legitimes Mittel zur Erreichung politischer Ziele, der Nationalmythos, der sich auf eine glorreiche Zeit der Macht und des Glanzes besinnt, die Überordnung der eigenen nationalen Gruppe über die Anderen und der Kult um den Führer. Wer diese Gruppe ist, kann variieren, ursprünglich waren es die Italiener.

So auch die „originalen“ jüdischen Faschisten. Die über 6.900 Juden, die sich ab 1922 Mussolinis Nationaler Faschistischer Partei PNF angeschlossen hatten, und erst mit dem Beginn antisemitischer Gesetzgebung in Italien 1938 ihre Mitgliedschaft verloren. Noch perverser war der „Verband Nationaldeutscher Juden“, der zwischen 1921 und 1935 in Deutschland wirkte und über 10.000 Mitglieder zählte. Ziel von ihnen war die „Selbstzerstörung der deutschen Juden durch totale Assimilierung in das deutsche Volk und die Deportation aller Ostjuden aus Deutschland“. Hitler wurde von der Partei ebenso befürwortet und unterstützt, obwohl die Partei letzten Endes 1935 durch das Nazi Regime verboten wurde. Die meisten von ihnen landeten in KZs und kamen nicht mehr lebend hinaus. So erzählte mir mein Großvater davon, wie ein solcher Jüdischer Faschist mit ihm und seinen Leidensgenossen in einer Baracke von Auschwitz landete und nur noch vor sich hin stammelte „Wenn Hitler nur wüsste, dass wir guten deutschnationalen Juden hier gelandet sind, das würde er sofort stoppen, es ging doch nur darum die dreckigen Ostjuden rauszukriegen“. Lebend kam dieser Mann nicht mehr aus der Baracke.

Jabotinsky und die Zionistischen Revisionisten

Wladimir Zeev Jabotinsky, der von Kontemporären oft als Faschist bezeichnete Intellektuelle und Kriegsheld aus Odessa, wird oft als Gründervater der Israelischen Rechten bezeichnet.

Er gründete den „Bund revisionistischer Zionisten“, eine rechte Abspaltung der damals eher sozialdemokratischen „Zionistischen Weltorganisation“. Die Vision der Revisionisten war die maximalistische Forderung eines „jüdischen Staates auf beiden Seiten des Jordan, einer schnellen und massenhaften Migration von Jüdinnen und Juden nach Palästina (im Gegensatz zur graduellen) und die Ablehnung von Gewerkschaften und der Sozialdemokratie“. Sein Erwachen hatte er nach dem grausamen und historisch bedeutsamen Kischinjow Pogrom von 1903, das medial besonders durch die Passivität der angegriffenen jüdischen Männer gezeichnet war, die tatenlos dabei zusahen, wie ihre Familien misshandelt und ermordet wurden. Jabotinsky sah hier die Dringlichkeit, dass Juden erlernen mussten, sich selbst zu verteidigen, um keine Opfer der Mächtigen und Gewaltbereiten mehr zu sein. So gründete er etwa 1923 die Jugendorganisation „Beitar“, die diesen neuen, starken, gewaltbereiten und auch gepflegten Juden erschaffen sollte, fast in jedem Stettl Osteuropas gab es sie. 

Rechter jüdischer Terror in Palästina

Als zionistische Bewegung, die sehr viel ihrer Energie in illegale Aliyot investierte, gab es in den 30ern tausende Mitglieder der Beitar Bewegung in Palästina. Sie bauten vor allem Selbstverteidigungsverbände auf, um Juden und Jüdinnen vor gewaltsamen Ausschreitungen der arabischen Bevölkerung zu schützen, und diese auch brutal zu vergelten. Eine Vorgehensweise, die vom offiziellen militärischen Arm des Yishuv, der Haganah, verurteilt wurde, die sich exklusiv als defensive Kraft definierte. Dies führte zum Bruch zwischen der Haganah und den Revisionisten, die daraufhin die paramilitärische Abspaltung „Irgun Zeva‘i Le‘ummi“ gründeten. Die Führung übernahm zeitweise Jabotinsky selbst, und nach dessen Tod 1940 dessen Protege Menachem Begin, der 1977 als erster rechter Politiker Premierminister in Israel wurde und später die Likud Partei gründete. Am bekanntesten ist der Irgun wohl durch den Terroranschlag auf das King David Hotel in Jerusalem, dem Sitz der britischen Mandatsregierung in Palästina, im Jahr 1946, bei dem 91 Menschen getötet wurden. Gemeinsam mit „Lechi“, auch bekannt als die „Stern Gang“, sind sie ebenfalls für das bekannteste Massaker an Palästinenser:innen (zumindest der 40er) verantwortlich, dem Massaker von Deir Yassin, vom 06. April.1948, bei dem über 100 Palästinenser:innen ermordet wurden. Der Rest des Dorfes ist vertrieben worden, ein Jahr darauf wurde dort eine Siedlung für Ultraorthodoxe errichtet. 

Faschisten in Israels Regierung?

Die jetzige Regierung Israels, angeführt von Netanyahus Likud, steht in der Tradition Begins, doch hat sich mit den neuesten Koalitionsmitgliedern eine religiöse Endzeitideologie in den rechten Nationalismus hineingemischt. Die wichtigsten Namen hier sind einerseits Bezalel Smotrich, Finanzminister und Minister zuständig für zivile Siedlungsangelegenheiten in der Westbank und Vertreter der Partei Religiöser Zionismus, sowie Itamar Ben Gvir, Sicherheitsminister der Partei Jüdische Stärke. Alleine wenn man sich die Forderungen der Parteien ansieht, wird einem schnell klar, womit man es zu tun hat. 

Smotrich stellt drei klare Optionen an die Palästinenser:innen, mit und ohne israelischem Pass: Entweder bleiben sie in einem jüdisch kontrollierten Israel, verlieren aber jegliches politisches Mitspracherecht, falls ihnen das nicht gefällt, können sie gerne mit Unterstützung Israels irgendwo anders hinziehen oder kämpfen, was jedoch nichts als deren Tod  bringen würde. 

Er kommt aus der religiösen Siedlerbewegung „Gusch Emunim“. Ihre Mitglieder sind Endzeitideolog:innen, die daran glauben, dass das jüdische Volk dazu verheißen ist, das gesamte Land zwischen Nil und Euphrat zu besiedeln, wodurch es zum Messias und zur endzeitlichen Erlösung kommen soll. Gott hat den Juden dieses Land versprochen und so wie die Israeliten der Torah die Kanaaniter vertrieben haben, so soll es jetzt auch mit den Palästinenser:innen geschehen. 

Itamar Ben Gvir, verurteilt für Volksverhetzung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, ist jetziger Minister für nationale Sicherheit. Er war Mitglied der verbotenen Kach Partei, die sich für eine Annexion der besetzten Gebiete und für die Deportation aller nicht-jüdischen Araber:innen aus Israel ausspricht. Ein bekannter Anhänger der Partei war etwa der Arzt Baruch Goldstein, der 1994 in der Höhle Machpela 29 betende Palästinenser:innen tötete und dutzende mehr verletzte. Sein Portrait hing bis vor kurzem in Ben Gvirs Wohnzimmer. Den Spruch „Tod allen Arabern“ konnte man von ihm an etlichen Gelegenheiten hören. Als offizieles Regierungsmitglied habe er jedoch nichts dagegen, wenn loyale Araber (als entrechtete) in Israel verblieben. Den Tod wünscht er jetzt nur noch allen Teroristen, wobei das für ihn in Wahrheit nur Synonyme sind. 

Bewaffnete Siedler

Dank der jetzigen Regierung wurden sehr viele Siedler bewaffnet, die damit nicht nur ihre illegalen Siedlungen und Außenposten verteidigen. Bewaffnet ziehen sie durch palästinensische Dörfer und terrorisieren dort die Menschen, bis sie Aufgeben und die Dörfer ihrer Ahnen verlassen. Alleine im Jahr 2023 wurden 21 palästinensische Dörfer in der Westbank wegen Siedlergewalt aufgegeben. Meistens durch Siedler der sogenannten „Hilltop Youth“, die jene illegale Außenposten errichten. Statt Schlägertrupps mit Schwarzhemden, sind es jetzt Schlägertrupps mit gehäkelten Kippot, Payes und eher schäbiger Kleidung. Vertreter:innen dieser Organisation gehen recht offen mit ihrem faschistischem Gedankengut um, sagen vor Kamera etwa „ja wir sind Rassisten, immerhin stehe ich jeden morgen auf und bedanke mich bei Gott, dass ich kein Goy bin und Gott hat uns nun mal befohlen das Land zu erobern und alle Nicht-Juden raus zu werfen und das machen wir“. Bis zur jetzigen Regierung wurden diese von Fanatikern errichteten Außenposten regelmäßig von den IDF geräumt. Jetzt bekommen sie Unterstützung vom Staat und zahlreiche wurden bereits legalisiert. Etwa der Außenposten des Yivnon Levi, der mit Maschinengewehr bewaffnet in das palästinensische Dorf Zanuta eindrang, Menschen in ihren Wohnungen bedrohte und gemeinsam mit seinen Lakeien Häuser und Felder in Brand setzte und Menschen verprügelte, bis das 250 Seelen Dorf schlussendlich beschloss aufzugeben und in die größeren palästinensischen Städte zu fliehen. Die EU und die USA sanktionieren ihn, in Israel lebt er auf freiem Fuß und wird von Smotrich im Kampf gegen die Sanktionen unterstützt. 

Zwar kann man nicht jeder der hier erwähnten Gruppen alle Elemente des Faschismus zuweisen, und es ist ebenso fragwürdig wie genau der Führerkult auf diese Gruppen anzuwenden ist. Doch bleibt einem doch ein gewisser faschistischer Nachgeschmack im Mund, wenn man sich diese ganze Situation anschaut. Hierzu passen wohl die berühmten, von Netanyahu oft bemühten Worte, diesmal nur etwas abgeändert: If it walks like a fascist, and if it talks like a fascist, it’s probably a fascist.

J.M.D

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