Falsche Freunde

Falsche Freunde

Warum Rechtsextreme niemals Bündnispartner sein können 

Es mutete schon etwas Kurioses an, als Walter Rosenkranz so gerne den toten Jüdinnen und Juden gedenken wollte, dass er kurzerhand forderte, die Lebenden polizeilich aus dem Weg zu räumen. Diese skurrile Situation stellte sich im November 2024 dar, nachdem die Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen entschieden hatten, dass man einen wie Rosenkranz lieber vom jüdischen Gedenken fernhält. Doch der selbsternannte neue Freund der Juden lässt sich von eben jenen sicherlich nicht sagen, wie und wo er gerne Pressefotos geschossen hätte. So ein FPÖ-Politiker und deutschnationaler Burschenschafter (Libertas, übrigens die Burschenschaft, die schon 1878 einen Arierparagraphen einführte) neben einem Holocaust-Denkmal – betretene Miene inklusive – würde sich doch auch zu gut machen. Jetzt, wo es sich in der FPÖ offenbar schickt, Antisemitismus von sich zu weisen oder mehr noch: gegen ihn vorgehen zu wollen. Also gegen den Antisemitismus „der Anderen“ auf jeden Fall. Mit „den Anderen“ meinen sie muslimischen Antisemitismus, der dabei gerne als „importierter Antisemitismus“ geframed wird. 

Mehr als gewagt diese These, wenn man selber in einem Täterland der Nationalsozialisten sitzt und die eigene Partei mit eben jenem sowohl personelle, als auch ideologische Kontinuitäten aufweist. Doch der eigene Antisemitismus tut ja nichts zur Sache. So musste Rosenkranz Büroleiter Schimanek kürzlich entlassen werden, nachdem bekannt wurde, dass er nicht „nur“ NS-Devotionalien und Waffen hortete, sondern auch fleißig E-Mails mit Rechtsextremen ausgetauscht hatte. Beendet hatte er diese gerne mit dem „üblichen Gruß“. Ein Schelm, der Böses denkt. Und auch im geleakten Regierungsprogramm fand sich diesbezüglich Erhellendes: So konnte man sich nicht auf einen Ausbau der Prävention von Antisemitismus und Extremismus im schulischen Bereich einigen, weigerte sich den Nachkommen von Shoah-Opfern die Staatsbürgerschaft zu gewähren oder ein Holocaust-Museum zu errichten. Die internationale Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance wollte man genauso wenig anerkennen wie die historische Verantwortung dem Staat Israel gegenüber. Man muss also nicht einmal sonderlich tief, geschweige denn in der Vergangenheit wühlen, um in der FPÖ des Antisemitismus fündig zu werden.

Wenn man den Blick nach Deutschland richtet, zeigt sich in der rechtsextremen Schwesterpartei, der AfD, ein ganz ähnliches Bild. Auch hier inszeniert man sich nun gerne als letzte Bastion gegen den Antisemitismus. Betrachtet man Schlüsselfiguren der AfD, kommen jedoch erhebliche Zweifel auf. Björn Höcke, der Thüringer Fraktionsvorsitzende, bedient sich regelmäßig antisemitischer Codes und seine Reden strotzen nur so von sekundärem Antisemitismus. Während sich primärer Antisemitismus hauptsächlich in direkten Anfeindungen gegenüber Jüdinnen und Juden äußert, denen als Angehörige einer angeblich rassischen Gruppe negative Charakteristika zugeschrieben werden, gilt der sekundäre Antisemitismus als Produkt der Schuldabwehr und äußert sich nach der Shoah in Relativierungen deutscher Verbrechen bei gleichzeitiger Betonung des eigenen Opferseins. So spricht Höcke liebend gerne von „globalistischen Eliten“ und scheut sich auch nicht, die dazugehörigen Vernichtungsfantasien zu liefern. Diese Eliten seien es auch, die eine laut ihm „nach 1945 begonnene systematische Umerziehung“ zu verschulden haben. Für Höcke ist Deutschlands Erinnerungspolitik nämlich nicht mehr als „dämliche Bewältigungspolitik“, welche die Deutschen heute noch lähmen würde. In diesem Zuge fordert er eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ und betitelt im selben Kontext das Holocaust-Denkmal in Berlin als eines „der Schande“. Fraglich, ob sich Höcke damit so gut als Antisemitismuskritiker eignet – oder seine Partei als selbsternannter „Garant für jüdisches Leben“. 

Und auch in Frankreich versucht sich das Rassemblement National (RN, ehemals Front National) neuerdings vom Antisemitismus reinzuwaschen. Da der Front National immer wieder durch Äußerungen des mehrmals wegen Holocaustverharmlosung verurteilten Jean-Marie Le Pens Schlagzeilen gemacht hat, kann man den Namenswechsel als Teil des Versuchs sehen, sich nach außen hin als geläutert darzustellen. Dass der Kurswechsel mehr als nur strategisch ist, lässt sich bezweifeln. So hat die antisemitische und rassistisch ausgerichtete Identitäre Bewegung ihren Ursprung in der von Parteimitglied Vardon mitgegründeten Organisation Génération Identitaire, vor welche sich das RN 2021 schützend gestellt hatte, als der Gruppe ein Verbot durch den Innenminister drohte. Doch woher rührt dieser in mehreren rechtsextremen Parteien stattfindende Kurswechsel? Die Thematisierung und zugleich Externalisierung des Antisemitismus, in der Hoffnung neue Wähler:innen zu generieren, dient nichts weiter als der rassistischen Hetze und soll von den eigenen antisemitischen Ausfällen ablenken. Denn wenn sich der nächste Skandal aus den eigenen Reihen anbahnt, wird beschwichtigt, verteidigt, relativiert und verharmlost. Von der geforderten Konsequenz gegen Antisemitismus, wenn dieser von muslimischer Seite kommt, ist nichts mehr in Sicht, wenn es um die eigenen Parteikolleg:innen geht. Der angebliche Kampf gegen Antisemitismus bleibt gänzlich inhaltsleer und befreit von jedweder Selbstreflexion. 

Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass die Strategie teilweise Früchte trägt. Ein Symptom dieser sind die Juden in der AfD (JAfD), die 2018 gegründet wurden. Auch wenn es sich bei diesen um eine verschwindend kleine Minderheit innerhalb der jüdischen Gemeinde handelt, bemerkt man doch, dass auch weitere Teile der jüdischen Gemeinde in der Diaspora nach rechts rücken. Die Enttäuschung über eine mehrheitlich schweigende Linke nach dem siebten Oktober, mangelnde Auseinandersetzung mit Islamismus und an vielen Stellen eine fehlende Antisemitismuskritik haben Ängste geschürt und ein Gefühl der Isolation befördert. Die Profiteure von Krisen und Angst sind faschistoide, rechtsextreme Parteien und ihre Ideologien. In diesem Fall nutzen rechte Parteien zudem ihr „Engagement gegen Antisemitismus“ als Mittel zum Zweck für Hetze und versuchen dabei, Jüdinnen und Juden für diese zu instrumentalisieren. 

Doch statt sich diesem Versuch hinzugeben, gilt es dafür zu sorgen, dass rechtsextremen Akteuren Angst und Bange wird. Und wie könnte das besser gelingen, als durch den Zusammenschluss mit eben jenen, gegen die sie hetzen. Dialogprojekte zwischen der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innenschaft und der Muslimischen österreichischen Hochschüler:innen haben genau das verwirklicht. Eine linke, jüdische Antwort kann nur lauten, sich nicht mit den Feinden der Freiheit gemein zu machen und Kritik auch in den eigenen Reihen zu üben, wenn menschenverachtendes Gedankengut um sich greift. Sich nicht instrumentalisieren zu lassen, sondern gemeinsam gegen den Rechtsruck zu stehen.

Doris Danzer 

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