Kein Kranz von Rosenkranz

Kein Kranz von Rosenkranz

Die FPÖ gewann zwar die Nationalratswahl, aber Herbert Kickl wird voraussichtlich nicht Teil einer Regierungskoalition — er ist zu rechtsextrem. Dafür hat nun das Parlament einen Burschenschafter mit Schmiss im Gesicht als Präsidenten: Walter Rosenkranz. Er ist selbstredend kein katholischer, sondern ein deutschnationaler Burschenschafter, so wie diejenigen, die kürzlich bei einer Beerdigung mit dem Singen des „SS-Treuelieds” für Furore sorgten – und dafür von der JöH angezeigt wurden. Das war aber nicht die einzige Anzeige: Auch gegen Sucharit Bhakdi wurde aufgrund seines antisemitischen Geschwurbels eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht. Da die Volkskanzler und Kellernazis der FPÖ aus Sicht der JöH ganz schön ehrenlos sind, gab es in den vergangenen Monaten viel Protest und kein Gedenken mit Rosenkranz. 

Wie jedes Jahr erinnern wir am 9. November an die Novemberpogrome von 1938. Bei der offiziellen Gedenkzeremonie, die von der IKG veranstaltet wird, werden alle Vertreter:innen des Parlaments eingeladen: Alle, bis auf jene der FPÖ. Wieso dem so ist, muss hoffentlich nicht genauer erläutert werden. 

Aufgrund der Ausladung von der offiziellen Gedenkzeremonie an der Namensmauer-Gedenkstätte im Ostarrichipark beschloss das „Libertas“-Mitglied Rosenkranz, mit überschminktem Schmiss eigenständig zum Mahnmal am Judenplatz zu gehen, um dort einen tatsächlichen Rosenkranz niederzulegen. Von der Ermordung von Jüdinnen und Juden hat er mit seinen Burschen sicherlich schon das ein oder andere Liedchen gesungen. Sein „Totengedenken” fand bisher ausschließlich für SS-Veteranen und andere Nazis statt, die er als „Leistungsträger der Republik” bezeichnete. Vielleicht hat er bisher auf die Juden vergessen, weil sich seine Burschenschaft noch 2011 zum Arierparagraphen bekannte? 

Ein Rosenkranz, der Nazis ehrt, missbraucht den Gedenktag für seine eigene PR-Agenda? Wir sehen es als unsere Verantwortung, derlei zu verhindern und versammelten uns am Freitag morgen mit einer Gruppe jüdischer Aktivist:innen vor dem Mahnmal am Judenplatz — und warteten. Denn Nationalratspräsident Rosenkranz überlegte für ganze zehn Minuten, ob er nun aus dem Auto steigen und zum Platz hingehen soll oder nicht. Mit kalten Füßen und Schweiß auf dem vernarbten Gesicht sammelte er schließlich Mut und machte sich auf den Weg. Alsbald er um die Ecke kam, bildeten wir eine Menschenkette um das Mahnmal herum und zeigten ein Banner mit klarer Botschaft: „Wer Nazis ehrt, dessen Wort ist nichts wert”. 

„Durchsetzung nicht möglich”

Umgeben von Polizist:innen und zahlreichen Medien, stellte er sich direkt vor das Banner und wies seine Assistentinnen an, den rosigen Gedenkkranz der Republik in Position zu bringen, der sogleich hinter dem JöH-Banner verschwand. Auf seinen Versuch hin, mit einem „Wenn Sie gestatten?” zum Kranz zu gelangen, wurde mit einem knappen „Nein.” geantwortet. Sichtlich empört gab er den Polizeikräften den absurden Befehl, die protestierenden Jüdinnen und Juden für sein unerwünschtes Gedenken am Shoah-Mahnmal aus dem Weg zu räumen. Nach zaghaften Versuchen, den Befehlen des Obersturmkranzführers Folge zu leisten, erklärte die Polizistin: „Durchsetzung nicht möglich”. 

Nachdem er von den Aktivist:innen wiederholt gebeten wurde, den Platz zu verlassen, startete er in angespannt-konzentrierter Manier sein Comeback: „Sie beleidigen mich!”, gab er fassungslos von sich. Darauf hingewiesen, dass er in einer burschenschaftlichen Festschrift den Nazi Johann Stich ehrte, der mindestens 45 Menschen umgebracht hat, verlor er die letzte Contenance: „Warum lügen Sie?”, ereiferte er sich und fuhr mit einer Drohung fort: „Wollen Sie es darauf ankommen lassen?”

Auch das lange Überlegen zwischen seinen Antworten half ihm nicht und so erklärte der zweitmächtigste Mann der Republik den friedlich Demonstrierenden: „Ich beuge mich Ihrer Gewalt”. Mit einem beleidigten „Auf Wiedersehen“ (hoffentlich nicht) begab er sich endlich unter Applaus auf seinen Walk of Shame.

Es ist maximal absurd, dass ein Burschenschafter mit Schmiss im Gesicht und braunen Gedanken im Kopf die Nachkommen der Opfer von einem Shoah-Denkmal räumen lassen möchte, um einen unerwünschten Rosenkranz abzulegen. Wir haben ihm demgemäß keine Chance gegeben, unser Gedenken für seine Propaganda zu instrumentalisieren. 

Mahnwache gegen „Volkskanzler“ und Keller-
nazis: „Herbert Kickl hätte uns deportiert“

„Wieder stehen die Juden hier. Sie stehen still und mahnen.” schrieb die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek über die Mahnwache gegen die FPÖ, die wir im September vor den Wahlen organisiert haben.

Herbert Kickl, der aktuelle Vorsitzende der rechtsextremen FPÖ, titulierte sich selbst in seinem Wahlkampf als „Volkskanzler”, so wie es einst ein anderer vor ihm tat – nämlich Adolf Hitler. „Ich bin unter einem Volkskanzler geboren und ich möchte mein Lebensende nicht unter einem weiteren verbringen” erklärte der Shoah-Überlebende Gerhard Pollak vor dem Burgtor, an dem die siebentägige „Mahnwache gegen Volkskanzler & Kellernazis” der JöH stattfand.

Dieser Ort ist geschichtlich von hoher Bedeutung: Am 15. März 1938 versammelten sich mehr als 200.000 Menschen am Heldenplatz und begrüßten den Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland mit Begeisterung, was für die 180.000 Jüdinnen und Juden den Beginn von Verfolgung und Vernichtung markierte.

Die FPÖ ist als Partei, die von schwer belasteten Nazis gegründet wurde, nicht nur Erbe des Hasses, sondern trägt weiterhin zur Pflege und Verbreitung nationalistischer und rassistischer Ideologien bei. Herbert Kickl, der Parteichef der FPÖ, verfolgt eine Politik der Ausgrenzung und Hetze gegen Minderheiten und Migrant:innen, möchte Staatsbürgerschaften aberkennen und wünscht sich Massendeportationen. Im Zuge der Mahnwache projizierten wir auf die linke Seite des Burgtors die Frage: „Hätte Herbert Kickl uns damals versteckt?“ und auf der rechten Seite die Antwort: „Herbert Kickl hätte uns deportiert.” 

So leisteten wir über eine Woche entschlossen Widerstand gegen den zunehmenden Einfluss rechtsextremer und antisemitischer Kräfte.

Anzeigen sind raus 

Manche liefen an der Projektion der Mahnwache vorbei und stellten sich die Frage, „Wer wohl die Lichtshow der Studierenden finanziert?”. Der bekannte Schwurbler Sucharit Bhakdi hat sich dazu besonders viele Gedanken gemacht, weshalb er sich bei einer FPÖ-Veranstaltung in der Lugner City ernstlich um die Finanzen der JöH sorgte – oder war es doch nur eine weitere Verschwörungstheorie dieses antisemitischen Verschwörungstheoretikers? Doch das war längst nicht alles, denn Bhakdi bezeichnete die Corona-Maßnahmen als das „größte Verbrechen der Menschheit” und fragte rhetorisch: „Wo und wann in der Geschichte der Menschheit ist an so vielen Menschen so viel Gewalt, körperlich, mental, verbal, angewendet worden?” Mit diesen Andeutungen relativierte er die nationalsozialistischen Verbrechen, die in der Shoah gipfelten. Unsere Antwort auf seine Frage? „Anzeige ist raus!“

Doch dabei blieb es nicht. Die ständigen Einzelfälle der FPÖ zeigen, wie tief die braune Ideologie in der Partei verwurzelt ist. So sangen FPÖ-Spitzenfunktionäre bei einer Burschenschafter-Beerdigung im September das nationalsozialistische SS-Lied „Wenn alle untreu werden”. Teil des Nazichors waren unter anderem die FPÖ-Nationalräte Martin Graf und Harald Stefan, der Parlamentsklub-Direktor Norbert Nemeth und der ehemalige FPÖ Nationalrat Johann Gudenus (der mit der Glock und dem Kokain aus dem Ibiza-Video!). Auch Gernot Schmidt von den neofaschistischen Identitären war dabei, um „vom heil´gen deutschen Reich” zu singen. Auch hier klarer Fall: „Anzeige ist raus!“

Gerade jetzt, wenn Antisemitismus und Rechtsextremismus erstarken, müssen wir entschlossen handeln, wachsam bleiben und Verantwortung übernehmen. Wir stehen weiterhin ein für eine offene, solidarische und demokratische Gesellschaft, in der Hass, Hetze und vor allem Nazis keinen Platz haben. Wir kämpfen weiter gegen rechte Ideologien – Anzeige für Anzeige, Aktion für Aktion. Denn eines ist klar: Aufgeben tut man nur einen Koffer.

Jennifer Leviev

Für den Vorstand der Jüdischen
österreichischen Hochschüler:innen

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