„Die Möglichkeiten sich 
auszudrücken sind unbegrenzt“

G-UDIT ist Wiener Künstlerin und
Unternehmerin. Ihr Repertoir umfasst klassisches Malen bis Stand-Up-Comedy, auch Rap und ihre eigene Late Night Show.

NOODNIK: Du bist heute eine gefragte Künstlerin. Wie hat alles angefangen und was waren deine Stationen?

G-UDIT: Dank meiner kunstliebenden Eltern wollte ich mit diesem ganzem Fetisch eigentlich nichts zu tun haben und begann, Philosophie zu studieren. Als Teenager habe ich nur Graffiti gemalt und das war für mich kreativ genug. Das Philosophiestudium war dann doch nicht besonders befriedigend, also bin ich an die Akademie der Bildenden Künste gewechselt und habe Malerei studiert. Schon während des Studiums habe ich verkauft und mit Galerien in Wien und Paris zusammengearbeitet. 

Im Galeriebetrieb war ich dann ziemlich lange, aber irgendwann wurde mir auch das zu eintönig. Ich habe mich eingeengt gefühlt. Seit 2005 mache ich mit meiner Kollegin Freestyle Rap. Irgendwann haben wir einen Produzenten gefunden und als  KLITCLIQUE unser erstes Album released. Ich hatte keine Lust mehr auf Galerist:innen und Sammler:innen. Seitdem fühle ich mich freier. Im Zuge des Political Correct Comedy Club (PCCC) fing ich mit Comedy an. Ich schaue schon lange Late Night Shows. Das hat mich im ersten Lockdown dazu gebracht, meine eigene Show zu starten: Green Scream mt G-udit

Vor kurzen habe ich mit Kunst- und Skaterkolleginnen einen alten Zeitungskiosk übernommen und  gemeinsam „Moisturride” Skateboards gegründet, als Marke, aber auch Plattform für FLINTA* Leute. Durch meine Erfahrungen habe ich gelernt, dass es besser ist, im Kollektiv ein Projekt zu starten, als im System die Hand aufzuhalten. Wir leben in der Endphase des Kapitalismus und ich will keine Konsumentin, sondern Produzentin sein. Selber etwas anfangen und es besser machen.

N: Hast du Themen die du besonders gerne behandelst? Auf welche Weise?

G: Was mich schon immer interessiert hat sind Schnittstellen. Ich mag keine Schubladen, sondern wenn Dinge sich vermischen. Wissenschaft mit Kunst, verschiedenen Gesellschaften und andere Dinge. Es ist immer eine Bereicherung. Ich möchte einen Safer Space aufbauen für Queere, Nonbinary und andere Minorities. Immer mehr Menschen verstehen die Probleme einer patriarchalen Gesellschaft. Allein, dass es jetzt Worte wie „mansplaining” gibt. Langsam werden diese Strukturen aufgebrochen, auch in der Popkultur. Das gibt Hoffnung, aber man man muss dranbleiben. Als österreichische Jüdin kann ich viel mit Menschen anfangen, die mit mehr als einer Kultur aufgewachsen sind.

N: Hat Kunst Grenzen?

G: Ich bin zwar gegen Zensur, in meiner persönlichen Bubble aber umgebe ich mich eher mit Menschen deren Denkweise sich mit meiner einigermaßen deckt. Bei PCCC gibt es klare Grenzen, die ich extrem gut finde. Ich höre mir viel verschiedene Comedy an und bin offen für verschiedene Ansätze in der Kunst. Es gibt aber einfach Grenzen. Man kann nicht sagen „bis hierher und nicht weiter”. Ich sage lieber „warum nicht anders?”. Warum muss eine männliche Mehrheit beispielsweise bei Stand-Up-Comedy sexistische Witze erzählen?

Ich will meine Energie nicht damit verschwenden, ständig nur irgendwas zu bekämpfen, sondern eher etwas Neues aufbauen. 

N: Was inspiriert dich? Hast du eine Muse? 

G: Der größte Luxus, den ich durch meine künstlerische Existenz habe ist, dass ich mich manchmal langweilen darf und aus der Langweile entspringt der Fluss. Vor allem inspiriert es mich, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die in ihrer Sache urgut sind. Ich will nicht mehr nur in 2D, Farbe und Pinsel denken, sondern auch in Musikvideos und Comedy. Es gibt so viele Arten sich auszudrücken und ich bin selber überrascht, dass ich noch immer nicht müde bin, immer neue zu finden. Ich habe vor zwei Jahren zu Skaten angefangen und wie alle Künstler:innen kann ich es nicht einfach als Hobby machen, nein. Ich muss gleich eine Firma gründen.

N: Inwieweit prägt dich das Judentum? Hatte es Einfluss auf deine Kunst? 

G: Seit ich ein child war, war ich genervt davon, was es bedeutet in unserer Gesellschaft weiblich zu sein. Das habe ich im Museum deutlich an den vielen, meist nackten Frauen, die auf jedem Gemälde herumliegen und nichts tun, gemerkt. Im krassen Gegensatz dazu stand meine Namensvetterin Judith, die oft in der Renaissance dargestellt wurde. Immer mit einem Schwert in der Hand und entweder mit Holofernes Kopf in der Hand, oder gerade dabei ihn zu köpfen. Das war eins meiner ersten weiblichen Vorbilder. Eine Frau, die ihr eigenes Schicksal in die Hand nimmt (und das ihres Volkes). Der Acephale, der Kopflose, ist ein Symbol für Anarchie und für Entmachtung der Herrschenden. Ich bin in den 80ern geboren, eine Zeit mit nur wenigen weiblichen Vorbildern. Natürlich sind einige Frauen aus dieser extrem beengten Situation geflohen, haben Nobelpreise bekommen und sind zu wichtigen Vordenkerinnen, Künstlerinnen, oder Aktivistinnen geworden. Rosa Luxemburg, Gertrude Stein, Judith Leister und Hannah Arendt, um nur einige zu nennen. Es gibt eine Tradition der selbstdenkenden Frau im Judentum. Ziemlich oft muss sie dafür aus ihrer Herkunft ausbrechen.

N: Wie wird sich Kunst entwickeln?

G: Glücklicherweise gibt es in der Kunst kein Limit. Solange man es argumentieren kann, ist alles Kunst.  Sie ist noch immer ein in sich geschlossenes System über das es einen elitären Diskurs gibt, von welchem die Außenwelt ausgeschlossen ist. Die Museen kommen ihrem Bildungsauftrag aber nicht mehr nach. Der/die Bürger:in geht Sonntags nicht ins Museum, um gebildeter zu werden. Was interessant ist, ist diese NFT-Welt die sich der Außenwelt öffnet. Ich möchte nicht verallgemeinern, aber es hat angefangen mit Geeks die kein bis kaum Kunstverständnis hatten. Es wäre natürlich interessant, wenn der/die klassische Picassosammler:in aussterben würde und stattdessen in Silicon Valley entschieden wird, was nun wertvoll  ist. Graffiti beispielsweise ist per se keine Kunst, sondern ein Medium. Das Medium Sprühdose hält eine:n nicht davon ab, Welterfolg zu haben. Es kommt nicht auf das „wie” an, sondern auf das „was”. Nichtsdestoweniger bin ich davon überzeugt, dass ein Ölbild oder auch nur eine einfache Zeichnung immer einen Wert haben werden. 

Interview: Illya Babkin