Warum Lisa Eckharts Texte gefährlich sind
Es ist ein paar Wochen her, seit der Rapper Danger Dan linken Jüdinnen und Juden eine neue Hymne verpasst hat. Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt dröhnt seither aus Lautsprechern und Kopfhörern und spiegelt das Lebensgefühl progressiver jüdischer Identitäten wieder.
Doch wie genau ist das eigentlich mit der Kunstfreiheit? Für wen gilt sie und für wen nicht? Und welche Positionen sollten von ihr gedeckt werden? Nicht selten wird der Vorwurf laut, dass diese Freiheit auch antisemitischem, rassistischem, sexistischem und homophobem Gedankengut den Weg in die Salonfähigkeit ebne. Eine österreichische Kabarettistin und Poetry-Slammerin macht es vor: Lisa Eckhart bedient sich bei einem Auftritt im WDR im Jahr 2018 zahlreicher antisemitischer Narrative. In ihrem Beitrag zur MeToo-Debatte witzelt sie darüber, dass viele der Beschuldigten jüdisch seien und es ja nur fair wäre, ihnen diese Vergehen zu gestatten, als Reparationszahlung quasi. Schließlich sei die Schoa mit Geld nicht gutzumachen und davon hätten sie ja eh schon genug. Wie denn auch sonst, wenn man jüdisch ist?
Die Reaktionen zu diesem Beitrag fallen unterschiedlich aus. Der stärkste Aufschrei kommt, wie zu erwarten, aus der jüdischen Community. Doch vereinzelt wird Eckhart auch von der Mehrheitsgesellschaft gecancelt. Im August 2020 wird die Künstlerin von einem Literaturfestival in Hamburg ausgeladen.
Aus Sicherheitsgründen, so heißt es. Was also tun mit dieser Kunstfreiheit, die uns einerseits erlaubt, Kritik an gesellschaftlichen Zuständen zu äußern, aber andererseits einen praktisch rechtsfreien Raum für Hassbotschaften bietet?
Natürlich gibt es keine allgemeingültige Antwort. Es steht aber außer Frage, dass die Freiheit der Kunst geschützt und gestärkt werden muss. Denn über Kunst lassen sich Dinge vermitteln; Gefühle und Gemütszustände können dem Publikum nahegebracht werden wie auf keine andere Weise. Kunst kann empowern, politisieren, Widerstand bedeuten und Zuflucht bieten. Gleichzeitig kann sie auch das Gegenteil bewirken. Sie kann verletzen und traumatisieren und vor allem kann sie instrumentalisiert werden. Denn egal, wie der/die Künstler:in sich das Kunstwerk vorstellt, der/die Betrachter:in rezipiert es aus ihrem/seinem jeweiligen subjektiven Standpunkt und projiziert sein/ihr eigenes Weltbild darauf. Genauer gesagt: Antisemit:innen werden in Eckharts Werk genau das finden, was sie brauchen, um ihr Weltbild zu festigen: Die Bestätigung, dass alle Jüdinnen und Juden reich und machtgeil seien und dies ausnutzen, um ihr Unwesen zu treiben. Dabei spielt es keine Rolle mehr, wie die Künstlerin das Gesagte gemeint hat. Das ist ein Pulverfass, welches, einmal brennend, kaum noch zu löschen ist.
Hanna Veiler