Scheiternde Interventionen

Überlegungen zur Denkmalpraxis als Prozess

Nachdem die Frage nach dem Umgang mit Denkmälern, die antisemitische, rassistische und koloniale Personen oder Geschehnisse glorifizieren und Strukturen reproduzieren, nun (endlich) auch Eingang in einen breiteren öffentlichen Diskurs Sichtbarkeit gefunden hat – ist die Luft schon fast wieder draußen. Eine sich über Jahrzehnte entwickelnde kunsthistorische und geschichtspolitische Diskussion zum Umgang mit Denkmälern hat sich in kürzester Zeit selbst eingeholt, oder: überholt. Viele sind es leid, über dieselben Meinungen, wiederholte Forderungen und alte Argumente zu sprechen. Mit der Prämisse, dass die Problematik eines Denkmals indiskutabel ist und sich durch ein In-Kontext-Setzen oder Mit-guten-Taten-Abwägen zwar diskutieren, nie jedoch relativieren lässt, gibt der jüngste Diskurs vor allem aus einer kunsthistorischen Perspektive Anlass zu spannenden Überlegungen und neuen Betrachtungsweisen. 

Künstlerische Intervention, oder: vom Denkmal zum Mahnmal

Bis vor kurzem war ich eine starke Verfechterin der künstlerischen Intervention — der Kontextualisierung, Historisierung oder Musealisierung des sogenannten „problematischen Denkmals“. Wenn auch politisch oft mangelhaft umgesetzt, schien mir diese gängige Denkmalpraxis die adäquateste Lösung, um eine vergangene Epoche nicht zu leugnen, sondern um in ihrer materiellen Manifestation eine Umdeutung von Denkmal zum Mahnmal anzustreben. Künstlerische Interventionen als Eingriffe in ein Denkmal öffnen Diskussionsräume und kreieren neue Bedeutungen und Deutungsformen. Ob diese wiederum funktionieren, war im kunsthistorischen Denkmal-Diskurses bislang nicht von größerer Relevanz. 

Ein Blick auf die Geschichte des Umgangs mit problematischen Denkmälern im öffentlichen Raum in Österreich zeichnet jedoch auch eine Geschichte des Scheiterns. Von den in den Mühlen der Bürokratie untergegangen künstlerischen Projekten, über die unsichtbar oder verbesserungswürdig gewordenen Zusatztafeln, hin zu privatisiertem Gedenken und Interventionen, die neue oder bestehende Problematiken reproduzieren: Im Moment der Realisierung scheint der Zweck der Intervention im Vordergrund zu stehen – schlussendlich sind es jedoch häufig die Mittel, die sichtbar bleiben. Diese Kritik soll keinesfalls eine Anregung sein, Interventionen (noch) länger zu überlegen. Viel eher zeigt sie auf, dass eine Intervention, wenn auch in ihrer Materialität permanent geplant, in ihrer Umsetzung immer auch eine Momentaufnahme, ein temporärer Spiegel des zeitgenössischen Umgangs mit der Vergangenheit ist. Und wenn auch jede Generation an Denkmalpraxis von ihrer Materialisierung von Gedenken überzeugt sein mag, so stellt sich rückblickend doch häufig heraus, dass die Denkmalpraxis und der kunsthistorische Diskurs retrospektiv, selten jedoch reflexiv agieren. 

Um diese Temporalität mitzudenken und aus dem bisherigen Scheitern zu lernen, bedarf es vielleicht nur eines einfachen Umdenkens: Wenn die Aussagekraft einer künstlerischen Intervention vergänglich oder verbesserungswürdig und ihr Daseinsanspruch (anders als jener des Denkmals) ohne Monumentalität ist, warum sie dann nicht ihrer Funktion – dem Gedenken – anpassen und künstlerische Interventionen als Prozess gestalten? Ein wiederkehrendes und kontinuierliches Eingreifen und Auseinandersetzen, eine nicht zur Debatte stehende Konstante, die sich doch der Permanenz eines einmaligen historischen Freifahrtscheins verweigert? 

Vielleicht ist dies jedoch auch eine naive Utopie, die vor der politischen Unwahrscheinlichkeit einer derartigen Umsetzung die Augen verschließen will.

Martina Genetti