„Das Graffiti mit dem Wort 
 ‚Schande‘ gefällt mir sehr gut“

Die Künstlerin Dvora Barzilai im Interview über das Karl Lueger Denkmal und die Umgestaltung desselben

NOODNIK: Für eine jüdische Künstlerin, die selbst durch die Schaffung von Denkmälern zum Diskurs und zur Erinnerung beiträgt: Was bedeutet es für Dich, dass das Lueger-Denkmal noch immer steht?

DVORA BARZILAI: Daran sieht man, dass es der Gesellschaft an Erklärung über diese Person und deren Ideologie fehlt. Dieses Denkmal informiert nicht über die Ideologie, die Handlungen und die Rhetorik Luegers. Es fehlt eine Perspektive, die eine umfassende Geschichte und auch die dunkle Seite der historischen Figur aufzeigt.

Ein Denkmal sollte der Gesellschaft die Rolle einer politischen Persönlichkeit vor Augen führen. So zeigt zum Beispiel das Denkmal Hrdlickas vor der Albertina die Unterdrückung und Demütigung der Juden und Jüdinnen auf. Dies muss in Zusammenarbeit mit einem aufklärenden Bildungssystem passieren, dessen Auftrag es ist, solche historischen Phänomene und Personen in ihrem vollständigen Kontext darzustellen.

An dem Lueger-Denkmal erkennt man immer noch eine Verherrlichung der Person. Die in diesem Denkmal abgebildeten muskulösen Arbeiter führen zu einer einseitigen Abbildung seiner Leistung. Seine menschenverachtende und hetzerische Haltung und Rhetorik gegenüber Jüdinnen und Juden bleibt hingegen unerwähnt.

N: Welchen Wert hat dieses Denkmal für die gesellschaftliche Bildung über den politischen Antisemitismus Luegers? Wenn Du die Entscheidung treffen könntest, was wäre die beste Kontextualisierung, um diesen Wert in den Vordergrund zu rücken? 

DB: Dieses Denkmal hat keinen Wert für die gesellschaftliche Bildung. Es dient der Verherrlichung Luegers und seiner Ideologie. Eine solch einseitige Darstellung vermag seine Rolle als politischen antisemitischen Agitator nicht abbilden.

Im Kontext eines Museums könnte man diesen Wert für die Bildung verwirklichen. Auch eine Umgestaltung dieses Platzes könnte dieser Rolle gerecht werden. Das Graffiti mit dem Wort „Schande“ gefällt mir sehr gut. Die gesamte Eleganz der Figur geht damit verloren. Plötzlich fragt man sich: Woher kommt die Schande? Wofür hat sich dieser Mann zu schämen?

N: Wie könnte man den Platz künstlerisch umgestalten, um dem Denkmal seinen verherrlichende Effekt zu nehmen?

DB: Die derzeitige Lage mit den Graffitis gefällt mir wie gesagt gut. Es geht genau darum, den Kontext und die Rolle der Person bildend darzustellen. Dafür könnte man tatsächlich sichtbare und erklärende Tafeln oder Skulpturen aufbauen, die den Fokus auf die hetzerische und menschenverachtende Rolle Luegers und seiner Bewegung richten. Dies muss allerdings klar dargestellt werden, eine einfache Änderung, wie etwa eine Kippung, ist an sich noch nicht bildend oder kontextualisierend. In Kombination mit einer inhaltlichen Kontextualisierung könnte sie aber eine effektive ästhetische Darstellung sein.

Das Ziel sollte sein, dem Denkmal diese verherrlichende Rolle zu nehmen und ihm stattdessen einen bildenden Zweck zu verleihen. Damit könnte der Gesellschaft gezeigt werden, welche Rolle Lueger für die seine Zeit gespielt hat. 

Interview: Maximilian Thau