Sladjana Mirkovic, Präsidentin der Hochschüler*innenschaft Österreichischer Roma und Romnja im Gespräch
NOODNIK: Warum ist es so wichtig, in unserer heutigen Zeit eine Rom:nja-Hochschüler:innenschaft zu haben?
Sladjana Mirkovic, HÖR: Das ist heute genauso wichtig wie vor zehn oder zwanzig Jahren. Für die Sichtbarkeit, vor allem in der Rom:nja-Community. Negative und eigentlich auch bildungsferne Vorurteile herrschen vor: Viele Leute innerhalb der Community denken, es gäbe nicht so viele Rom:nja-Student:innen oder -Akademiker:innen. Da trägt eine Hochschüler:innenschaft gut dazu bei, dieses Image zu ändern. Es gibt viele Student:innen, die damit hinterm Berg halten, aus Angst vor Diskriminierung. Die HÖR ist wichtig, weil es für genau diese Leute eine Anlaufstelle gibt, um Infos & Unterstützung zu bekommen und sich zu vernetzen.
N: Wo seht ihr parallele Interessen zur JöH?
SM: Gedenkarbeit, Erinnerungskultur und gemeinsame politische Interessen verbinden uns in unserer Arbeit.
N: Hat die HÖR in ihrer kurzen Lebensdauer schon Diskriminierung erfahren müssen?
SM: Ganz im Gegenteil. Eigentlich war jede einzelne Rückmeldung positiv. Von all denen, die wir mit ins Boot geholt haben, aus den diversen Rom:nja-Vereinen, von Einzelkämpfer:innen, vom Black Voices-Volksbegehren und natürlich von euch. Tatsächlich kam die einzige negative Rückmeldung von unseren Eltern. Die finden zwar cool, was wir machen, sind auch stolz auf uns, aber es herrscht die Angst, dass wir zur Zielscheibe von Rechten und Nazis werden.
N: Rom:nja teilen mit uns eine sehr lange Leidensgeschichte, die in der Shoah gipfelte. In jüdischen Studierendenorganisationen europaweit gilt es heutzutage, positive Erzählweisen zu etablieren und hervorzuheben. Welche Narrative wollt ihr in Zukunft thematisieren?
SM: In erster Linie geht es uns darum, dass im akademischen Bereich, aber auch in der Schule, in größerem Maße thematisiert wird, dass Rom:nja ein maßgebliches Ziel und Opfer der Nationalsozialisten waren. Das gilt es auf jeden Fall ins Narrativ einzubauen, in welcher Form auch immer. Ein positiver Aspekt ist, dass europaweit der 16. Mai, der Romani Resistance Day, gefeiert wird. Der Unterschied zur jüdischen Geschichte ist, dass es innerhalb der Rom:nja-Community nicht so eine große Einheit gibt und es viel schwieriger ist, ein ganzheitliches Narrativ aufzustellen.
N: Habt ihr internationale Vorbilder im Studierendenaktivismus?
SM: Vor kurzem wurde in Deutschland eine Hochschüler:innenschaft gegründet, in Serbien gibt es schon seit 20 Jahren eine. Unser Ziel ist es, mit den eben erwähnten Organisationen Kontakt aufzunehmen, sobald wir uns hier national etabliert haben. Im Grunde sind alle Organisationen Vorbilder, die es geschafft haben, junge Rom:nja zusammenzubringen und so auch das Wissen zu vermitteln, das viele nicht hatten. Da geht es konkret um die jährlich stattfindende Gedenkveranstaltung “Dikh he na bister!”, was auf Romanes “Schau und vergiss nicht” heißt. In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wurden 2.897 Roma und Sinti in den Gaskammern vom Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet – diesem Ereignis wird im Zuge der Gedenkveranstaltung gedacht. Diese Gedenkkultur gilt es am Leben zu erhalten und an die junge Generation weiterzugeben.
Interview: Robin J. Kratz
Victoria Borochov