Hollywood –eine jüdische Angelegenheit?

Hollywood –
eine jüdische Angelegenheit?

Folgt man dem gängigen Narrativ, wird man früher oder später zwangsläufig der Aussage begegnen, “die Juden kontrollieren Hollywood”. Doch hört man diese Aussage nicht nur aus rechten, antisemitischen Ecken, sondern auch stolz von Jüdinnen und Juden, die sich die Errungenschaften Hollywoods zu eigen machen wollen. Hiermit wollen sie die kulturellen Errungenschaften, welche die US-Filmstudios mit sich gebracht haben, zu einer der Trophäen des modernen Jüdischen Volkes emporheben. So ließ sich in einer Ausstellung des prominenten Tel-Aviver Museums Anu – unsere Geschichte – die Geschichte des jüdischen Volkes hören, dass die Juden Hollywood gegründet haben und dort bis zum heutigen Tage das Sagen haben. Beispielhaft wurden dort wichtige jüdische Regisseur:innen, Produzent:innen und Schauspieler:innen genannt, die auch heute noch die Filmlandschaft prägen, von Steven Spielberg über Harrison Ford bis Gal Gadot.

Ja, Jüdinnen und Juden waren immens wichtig für die Etablierung Hollywoods so wie wir es heute kennen. So wurden die ersten dort ansässigen Filmstudios, die Kalem Company, MGM, Universal und noch viele mehr von jüdischen Visionär:innen gegründet. Doch kam bis 1920 recht zügig ebenso eine Reihe an Filmstudios dazu, wie die United Artists, die von Nichtjüdinnen und Juden und vor allem von “WASPs” (White Anglo-Saxon Protestants) gegründet wurden.

Zudem gab es Filmemacher, wie D. W. Griffith, die bereits früh damit begonnen hatten, antisemitische Stereotype und Feindbilder in ihren Filmen zu verarbeiten und dadurch zu verbreiten. Als Beispiel hierfür lässt sich der 1916 erschienene Film Intolerance von Griffith nennen, in dem man eine Reihe von antisemitischen Stereotypen finden kann, angefangen mit dem Vorwurf, die Jüdinnen und Juden hätten ihren Gott Jesus ermorden lassen. Dem folgend finden sich im Film klassische äußerliche Stereotypisierung, wie der gebückt gehende, händereibende, mit etwas dunklerer Haut sowie dunklen, lockigen Haaren und Augen ausgestattete Hohepriester, der dem äußerlich typisch „arisch“ aussehenden, blond und blauäugigen Jesus entgegen gestellt ist; ein Szenario welches in Mel Gibsons Passion of Christ von 2004 neu aufgerollt und auf die Spitze getrieben wurde.

Antisemitismus und Flucht

Mit dem 1934 erschienenen Film House of Rothschild, ließen sich nun auch modernere antisemitische Stereotype finden. In diesem Film wurden “die Juden” als langnasige, händeringende und vor allem geldgierige Kreaturen dargestellt, die mit ihren „jüdischen Steuertricks” angeben. Darin lassen sich unmissverständliche Implikationen über die jüdische Weltverschwörung finden.

Geht man in der Geschichte Hollywoods nun ein paar wenige Jahrzehnte weiter, finden sich auf der einen Seite eine Vielzahl neuer jüdischer Kolleg:innen in Hollywood vor. Beispielhaft dafür sind jene Jüdinnen und Juden, die zuvor eine immens wichtige Rolle in der Entwicklung des Deutschen Films innehatten, wie Billy Wilder oder Otto Preminger. Doch flohen zu dieser Zeit nicht nur Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich, auch Filmikonen wie der Wiener Fritz Lang, berühmt durch seine Filme Metropolis (1927) oder M (1931), entschieden sich dazu, ihre Filme in Hollywood zu drehen, anstatt mit ihrem künstlerischen Talent der mörderischen Maschinerie des Nationalsozialismus zu helfen.

„Die Juden“: Kapitalisten oder Kommunisten?

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und damit zu Beginn des Kalten Krieges standen viele der jüdischen Mitarbeiter:innen Hollywoods vor einem neuen Problem: Dem Antikommunismus und latenten Antisemitismus des US-Politikers Joseph McCarthy, durch dessen Hexenjagd nach vermeintlichen Kommunist:innen, viele Jüdinnen und Juden als solche angeschwärzt wurden, wie etwa Zero Mostel, obschon sie gar nichts mit der Sowjetunion oder der kommunistischen Partei der USA zu tun hatten. Bereits hier lässt sich der Zwiespalt des modernen Antisemitismus erkennen: Auf der einen Seite seien “die Juden” die mächtigen Businessmänner, die angeblich ganze Industrien kontrollieren, wie die Unterhaltungsindustrie, doch sollen sie auf der anderen Seite gleichzeitig kommunistische Kämpfer:innen sein, die eben dieses System der Industrien untergraben und zerstören wollen. Zwei Stereotype über “den Juden”, die sich in der einen oder anderen Form bis heute in den Filmen Hollywoods finden lassen.

Antijüdische Stereotype

So findet man in den Mafiafilmen Scarface (1983), sowie auch im zweiten und dritten Teil der Godfather (1974/1990) Reihe, “die Juden” als rückgratlose Verräter, denen Geld mehr Wert ist als Ehre, etwa in der Darstellung des jüdischen Gangsters Lopez oder dem bestechlichen Polizisten Bernstein in Scarface. Doch sind Jüdinnen und Juden auch selbst nicht vor diesen antisemitischen Stereotypen gefeit. So kann man dem immens berühmten und auch in der jüdischen Community sehr beliebten Film von Steven Spielberg Schindlers List (1993), erwähnen: In diesem wird das klassische Stereotyp des kleinen, schwachen (und auch “unmännlichen”) Juden bemüht, der sich selbst nicht helfen kann und auf die Hilfe des großen, starken Nichtjuden angewiesen ist, um zu überleben. Ganz anders funktionieren hier Filme wie Defiance (2008), bei dem Jüdinnen und Juden sehr wohl imstande sind, für sich selbst einzustehen, agency zu übernehmen und ihr eigenes Leben souverän in die Hand zu nehmen – und natürlich en masse Nazis zu töten.

Mehr Bärenjuden!

Es lässt sich also nicht bestreiten, dass Hollywood auf eine durchaus jüdische Vergangenheit zurückblicken kann, aber auch auf eine antisemitische. Doch auch die Gegenwart bleibt von jüdischen Filmkünstler:innen weiterhin beeinflusst, so ist beispielsweise der gesamte Marvel Craze auf Juden zurückzuführen, denn sowohl Martin Goodman, Gründer der Marvel Comics, wie auch sein Nachfolger Stan Lee, das wohl bekannteste Gesicht hinter der Superhelden-Franchise, waren Juden. Was man bei einer solchen Betrachtung jedoch mitdenken muss, sind die Unmengen an  Hollywood Stars, von denen deutlich mehr Nichtjüdinnen und Juden sind, sowie die unzähligen Hollywood Studios, die nicht unter jüdischer Leitung stehen, sei es 20th Century FOX oder Disney, sowie die Vielzahl an nichtjüdischen Produzent:innen, Regisseur:innen, Skriptschreiber:innen und so weiter. Von einer jüdischen Kontrolle Hollywoods kann man also kaum sprechen, sonst würden wir weniger schwächliche Howards (The Big Bang Theory) und mehr mächtige Bear Jews (Inglorious Bastards) in Film und TV zu sehen bekommen.

Jonathan Davidowicz

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