Anti-/„Feminismus“
von (extrem) rechts
(Rechter) Antifeminismus ist nichts Neues. Im Gegenteil: Mit dem Entstehen und Fortwirken feministischer Emanzipationsbestrebungen und -bewegungen gab es stets auch deren Abwehr. Diese Ablehnung war dabei keineswegs ein ausschließliches Charakteristikum reaktionärer Politiken, sondern erstreckte sich über weite Teile der Gesellschaft. Und wenngleich mittlerweile bestimmte Errungenschaften, Liberalisierungen und Pluralisierungen auch in einer breiten Gesellschaft angekommen sind und akzeptiert werden, so bleibt Geschlecht als Ordnungskategorie und Herrschaftsinstrument zentral – und umkämpft.
„Importierte Unterdrückung“
Grundsätzlich lässt sich für antifeministische und konservative bis rechtsextreme Einstellungen zu Geschlecht festhalten, dass dessen biologisch begründete Binarität als strikt männlich oder weiblich und die dazugehörige Heterosexualität die rigide Norm darstellen, die es zu verteidigen oder gar zurückzugewinnen gilt. Im völkischen und rechtsextremen Denken kommt dieser Logik eine besondere Rolle zu: Die vermeintlich „im Verschwinden begriffene“ oder gar „von Zersetzung bedrohte“ homogene (und allen voran „deutsche“) Volksgemeinschaft muss mit allen Mitteln erhalten werden. Dies zeigt sich nicht zuletzt in den Debatten um Reproduktions- und Familienpolitiken, wenn etwa Geburten
beziehungsweise Abtreibungen aufgrund von Ethnisierungen und dahingehender Zuschreibungen befürwortet oder abgelehnt werden. Erst im Oktober vergangenen Jahres war beispielsweise in einem Instagram-Posting der Freiheitlichen Jugend Wien zu lesen: „Bevölkerungsaustausch durch Hedonismus: Was Emily abtreibt, gebärt Aischa!“
Dem Katastrophen-Narrativ des „Austausches“ bis hin zum „Untergang“ der autochthonen Bevölkerung liegt ein antimuslimischer Rassismus zugrunde, den die (extreme) Rechte strategisch zu nutzen weiß. Seit Jahren knüpfen daran etwa Debatten um das „Kopftuchverbot“, „(importierte) Genitalverstümmelungen“, „Ehrenmorde“ oder „Zwangsheirat“ an, die rassistisch instrumentalisiert werden. Der „Schutz der eigenen Frauen und Kinder“ wird dabei mit der beständigen „Gefahr von außen“ kausal verwoben und die Gewalt als eine der „anderen“ externalisiert.
Gleichzeitig liegt die „Gefahr“ stets auch im „Innen“, da hier die „natürliche Geschlechterordnung“ wahlweise durch „den Feminismus“, die „Gender-Ideologie“ oder die „Homo-Lobby“ bedroht werde. So werden etwa Gleichstellungsmaßnahmen, Gender-Studies als Wissenschaft oder auch staatliches Gender-Mainstreaming diffamiert und delegitimiert – und das teilweise durchaus erfolgreich. Als besonders vehement äußert sich aktuell eine spezifische Homo- und Transfeindlichkeit. Es werden Verbote von Lesungen mit Drag-Queens oder das Ende des Pride Months gefordert. Diese Debatten – von der Kritik an Identitätspolitiken bis hin zum „geschlechtslosen Einheitsmenschen“ und „Transhumanismus“ – decken dabei teilweise das gesamte politische Spektrum von rechts nach links ab.
Krise … der Männlichkeit?
Dass Fragen zu Geschlechterverhältnissen oder vielmehr die Angst vor dem jeweiligen Privilegienverlust einerseits strategisch instrumentalisiert werden und andererseits ideologisch so zentral sind, ist weder neu noch Zufall. Denn gerade im Rechtsextremismus kommt es zur Anrufung einer spezifisch gewünschten, hegemonialen und schließlich als „im Verschwinden“ konstruierten Männlichkeit und dahingehender Männerbündelei, die sich im (organisierten) Milieu konstitutiv für einen Überhang an Männern auswirkt und umgekehrt die Anziehung begründet. Die Dominanzvorstellungen von männlicher Stärke und Macht funktionieren besonders gut in der Logik der hierarchischen Zweigeschlechtlichkeit, die auf geschlechtsspezifischen Zuschreibungen der als „natürlich“ konstruierten Differenzen aufbaut und nicht zuletzt in Form von männlicher Über- und weiblicher Unterordnung stabilisierend wirkt.
Gleichzeitig steigt in Krisenzeiten nachvollziehbarerweise das Bedürfnis nach Stabilität und Sicherheit, das sich auch in der verstärkten Nachfrage nach eindeutigen Geschlechtsidentitäten äußert. Selbst wenn also jene „neue Migrationskrise“ eine strategisch propagierte von rechts ist, so bietet sie genau wie die tatsächlichen Wirtschafts- und Gesundheitskrise(n) in ihren verunsichernden und destabilisierenden Effekten Anknüpfungspunkte für Geschlechterfragen, die wiederum naturalisierend verhandelt werden. Die extreme Rechte platziert also ihren „feministischen“ Vorwand vor dem Dünkel der Volksgemeinschaft, und knüpft gleichzeitig in der Delegitimierung feministischer Forderungen an eine breitere Debatte an, die aktuell in zahlreichen und durchaus unterschiedlichen Medien unter den Schlagworten „Cancel Culture“, „Political Correctness“ oder „Wokeness“ verhandelt werden. Versteht man Rechtsextremismus als radikalisierte Form des Konservativismus, so ist es demnach nicht überraschend, sondern logisch, dass auch in der „Mitte“ der Gesellschaft die Berufung auf die „Natur“ zur Begründung und Festschreibung von Ungleichheiten funktioniert. Auf dieser Basis kann die (extreme) Rechte wiederum aufbauen, da ihr Kern eben auch jene Naturalisierung kollektivierter Ungleichheit ausmacht – so auch bei Geschlechterverhältnissen.
Bianca Kämpf