Militante Shoah-Verharmlosung

Militante Shoah-Verharmlosung

Egal ob militante Veganer:in oder Impfgegner:in, wenn dabei die Shoah verharmlost wird, ist man sicher nicht auf dem richtigen Weg.

Für den Anfang kann man sich wohl auf eines einigen: Die Schlachtindustrie ist grausam. Es gibt dafür mittlerweile viel zu viele Beweise, um dem zu widersprechen. Tiere haben es verdient, human und korrekt behandelt zu werden, wie das in anderen Bereichen wie der Modeindustrie großteils bereits der Fall ist. Weitere Punkte sind die benötigte Energie und die Rohstoffe, die zur Fleischproduktion verwendet werden, und deren Auswirkungen auf die Umwelt. Die Argumente von Raffaela Raab, auch bekannt als „militante Veganerin“, sind diesbezüglich durchaus legitim. So wie viele andere setzt sich die junge Wienerin für bessere Behandlung von Tieren ein, jedoch ist die Art und Weise, wie sie dies macht, sehr beunruhigend. Verbale Konfrontationen, die sie aktiv sucht, in denen Menschen entweder bekehrt oder beschimpft werden, sind eine Sache. Aber die Schlachtindustrie mit der Shoah zu vergleichen, ist absolut inakzeptabel.

In ihrer Instagram-Bio verlinkt sie ein Kurzvideo von einem Vortrag von Alex Hershaft, einem Wissenschaftler und Überlebenden des Warschauer Ghettos. Hershaft setzt sich bereits seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs für gesunde Ernährung in Form einer veganen Diät ein und für Aufmerksamkeit für die Grausamkeit der Schlachtindustrie. Genauso wie Raab kann man ihm diesbezüglich keinen Vorwurf machen. In dem von Raab verlinkten Video erzählt Hershaft davon, wie er im Auftrag der US-Regierung eine investigative Reportage über eine Schlachtfabrik im mittleren Westen der USA durchführte und wie jener Betrieb ihn an die Gräueltaten der Nazis in den Konzentrationslagern erinnerte. Auch er benutzt das Argument, dass Tiere genauso wie Menschen Gefühle und Gedanken haben, weshalb deren Abschlachtung genauso zu verurteilen ist wie die der Jüdinnen und Juden. Aber steht das wirklich auf gleicher Ebene?

Die Shoah gilt als das schlimmste Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Laut Raab ist das Leid der Tiere in der heutigen Schlachtindustrie genauso schlimm. Aber wieso muss es “genauso” schlimm sein? Es kann auch schlimm sein, ohne es mit dem dunkelsten Moment aller Zeiten zu vergleichen. Man braucht Leid nicht aufzuwiegen, es ist für sich schon schlimm genug.

Die Schlachtindustrie hat im Endeffekt zwei Zwecke: Geld machen für die Industriellen, aber auch die Bevölkerung zu ernähren. Es ist nun mal so, dass Fleisch weltweit gesehen ein Grundnahrungsmittel ist. Es ist nahrhaft, einfach zu produzieren und in den meisten Fällen auch billig für die Konsument:innen. Außerdem gibt es ja die Möglichkeit, Fleisch und generell Tierprodukte zu erwerben, die nicht auf die hier angeprangerte Art und Weise produziert werden. Diese Argumente sind aber für Raab uninteressant. Für sie gilt, wer Fleisch konsumiert, begeht und/oder unterstützt die systematische Ermordung von Tieren und ist daher beteiligt an einem Holocaust. Dem ist aber nicht so. Es gibt nichts, was man mit dem Holocaust und der Grausamkeit der Nazis gegenüber Millionen Menschen vergleichen könnte. Die Shoah ist unvergleichlich. Jegliche Vergleiche sind schädlich für die Menschheit. Ende, Aus. Meine Vorfahren haben nicht die Konzentrationslager überlebt, um jetzt mit Schweinen verglichen zu werden. Sidenote: Jüdinnen und Juden in dieser Debatte mit Schweinen zu vergleichen ist gleich doppelt bösartig; man könnte wenigstens ein Tier nehmen, das koscher ist.

Eine ähnlich schreckliche Situation mussten offenbar auch die Impfgegner:innen bewältigen – zumindest aus ihrer Sicht. Aber nicht im Vergleich zum Holocaust, so viel sollte mittlerweile klar sein. Aber dennoch erklärten sich die Impfverweiger:innen sehr schnell zu den „neuen Juden“, da ihre Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, für sie bekanntlich ähnlich drastische Konsequenzen hatte, wie jüdisch zu sein im Dritten Reich. Für diejenigen, die es noch nicht wissen: Impfen macht frei!

Sie zeigten ihr großes Leid unter anderem damit, dass sie bei ihren – quantitativ überbewerteten – Märschen mit gelbem Davidstern, umgangssprachlich auch als Judenstern bekannt, vom Heldenplatz aus um den ganzen Ring zogen. Man sieht hier die deutliche Freiheitseinschränkung durch die Corona-Diktatur. Ihre Situation war ja noch schlimmer, da man sie zwingen wollte, einen Impfstoff zu injizieren, der laut ihren Haus-Homöopath:innen aufgrund einer Chakra-Fehlausrichtung bei Frauen die Fruchtbarkeit (mehr dazu in unserem Horroksop) und bei Männern die Potenz beeinträchtigt. Aber Hauptsache, sie fetzen sich jeden Tag drei Pillen Pferdeentwurmungsmittel und Alex Jones’ Fitnesspulver in die Binsen, ohne auch nur einen Gedanken darüber zu verlieren. Vielleicht kommt die angesprochene Impotenz ja daher …

Offenbar werden Vergleiche mit der Shoah sehr schnell verwendet, um die eigene Agenda zu legitimieren. Abgesehen von ihrer Absurdität sind die Vergleiche auch höchst problematisch, da sie das Vermächtnis der Shoah beschädigen. Nicht umsonst werden jedes Jahr am 27. Jänner die Worte “Never again” gesprochen. Einerseits in Erinnerung an das, was damals passiert ist. Andererseits sind diese Worte auch mit Erleichterung verbunden, weil so etwas bis heute nicht nochmals passiert ist.

Rouven Margules

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