Hollywood und die Oscars im Schatten des Israel-Gaza- Krieges

Hollywood und die Oscars im Schatten des Israel-Gaza- Krieges

Auch Hollywood und die Oscars 2024 wurden vom Israel-Gaza-Krieg tangiert, sei es in Form politischer Debatten um (Anti-)Zionismus oder um die Frage, mit wem man sich wie solidarisieren sollte.

Der dunkelste Tag der jüdischen Geschichte seit dem Ende der Shoah, auch als siebter Oktober bekannt, brachte so einiges an die Oberfläche der Glanz- und Glamour-Welt Hollywoods. Vor allem den scheinbar tief sitzenden Antizionismus, der in weiten Teilen Hollywoods in all seinen Formen besteht: Von eher unbedenklichen Ausprägungen, die auf einer universalistischen, anti-nationalistischen Philosophie beruhen, wie ihn etwa einige linke Jüdinnen und Juden vertreten, zu jenen Formen des Anti-Zionismus, die lediglich einen (schlecht) verschleierten Antisemitismus darstellen. Diese Israel-kritischen, antizionistisch bis antisemitischen Aussagen führten in Hollywood auch zu Reaktionen des pro-israelischen Camps und teilweise zu konkreten Konsequenzen für jene, die in den Augen der Studios und Talent-Agenturen eine rote Linie überschritten. So wurden etwa ein Star der Scream-Reihe, Melissa Barrera, und die Filmemacherin Susan Sarandon aufgrund ihrer höchst problematischen Aussagen zum Konflikt entlassen.

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas, inklusive der ihn begleitenden virtuellen Kriegsführung in den sozialen Medien, brachte Hollywood in eine unkomfortable Lage. Zwar kamen direkt nach dem Pogrom eine Welle von Solidaritätsbekundungen und Aussagen der Betroffenheit. Jedoch kippte diese pro-israelische Stimmung, als Israel mit dem Gegenangriff begann und die Anzahl toter Palästinenser:innen, samt Videos und Fotos von diesen in den regulären und sozialen Medien hochschoss. Hierdurch stieg der Druck auf Hollywood und seine Stars, Farbe zu bekennen und sich gegen Israel zu positionieren. Ein Druck, der vor allem von jüdischen Stars gespürt wurde, die sich nun im Zugzwang befanden, Israels Kriegsführung zu verurteilen, um sich nicht als Genozidunterstützer:innen diffamieren zu lassen, wie es etwa jenen Stars erging, die sich als pro-Israel positionierten, wie Gal Gadot oder Jerry Seinfeld, die gar in der Öffentlichkeit hierfür attackiert wurden.

Buttons und Schleifen

Eine simplere Art, um sich als Hollywood-Star in der Öffentlichkeit politisch zu positionieren, ist das Tragen von Buttons oder von farbigen Schleifen. Hierfür muss man sich weder mit dem Thema, noch mit dessen schwierigen Fragen auseinandergesetzt haben. Für beide Seiten des Konfliktes gibt es jene Anstecker, eine gelbe Schleife, die darstellen soll, man unterstütze die Freilassung der Geiseln, und einen Button mit roter Hand und schwarzem Herz, welches die Unterstützung eines sofortigen Waffenstillstandes, der Freilassung der Geiseln, sowie der Lieferung von ausreichender humanitärer Hilfe an Gaza symbolisiert. Im Umfeld der diesjährigen Oscars kam es zu großen pro-palästinensischen Protesten, welche die Stellung Hollywoods als zionistisches Sprachrohr und dessen vermeintliche Unterstützung Israels anprangerten. Tatsächlich wurde der Beginn der Veranstaltung etwas verzögert, was Mark Ruffalo, ein Träger des roten Buttons, als „Sieg der Menschlichkeit“ interpretierte Bevor man ihn jetzt etwa des Antisemitismus bezichtigt, muss gesagt werden, dass er etwa als Reaktion auf antisemitische Übergriffe während pro-palästinensischen Campusprotesten sagte, „dass man niemals zur Gewalt gegen unsere jüdischen Brüder und Schwestern aufrufen dürfe, insbesondere nicht im Rahmen einer Friedensbewegung“. Wie er, trugen auch andere Stars einen solchen roten Button, manche sagten vor der Kamera auch etwas dazu, wie Ruffalos Co-Star aus „Poor Things“ Ramy Youssef. Dieser erklärte die Buttons schlichtweg als Zeichen des Protestes gegen das Sterben von Kindern durch Bomben. Der Button selbst entstammt dem Künstlerkollektiv Artists4Ceasefire, der einen offenen Brief an Joe Biden mit den bereits erwähnten Forderungen verfasste. Jener Brief wurde von über 400 Filmschaffenden Hollywoods unterschrieben, neben Ruffalo und Youssef, etwa Bradley Cooper, Dua Lipa oder Kirsten Dunst.

Die rote Hand und die zweite Intifada

Im Anschluss an die Oscars und nach dem Erscheinen der Bilder von den mit roten Händen bestückten Stars, postete der offizielle X-Account Israels die Anschuldigung, dass es sich bei diesem pro-palästinensischen Button um eine Darstellung eines berühmten Bildes der zweiten Intifada handle, was es zu einem antisemitischen Button mache. Bei diesem Bild streckt ein Palästinenser seine blutbeschmierten Hände in die Höhe, um einem versammelten Mob das Blut zweier israelischen Soldaten zu zeigen. Diese wurden kurz zuvor von jenem Mann und anderen Beteiligten in einer Polizeistation Ramallahs gelyncht, einem von ihnen wurde gar das Herz aus der Brust gerissen. Mit etwas Fantasie lässt sich verstehen, wie der israelische X-Account also auf die Idee kommt, was der Button eigentlich darstellt, jedoch hat das nichts mit dem zu tun, was das Künstler:innenkollektiv (zumindest öffentlich) fordert. Ein etwas anderes Symbol wäre wohl geschickter gewesen, um solche Vergleiche zu vermeiden.

Jonathan Glazer – Textbuch-Antisemit?

Jonathan Glazer trug weder den roten Button, noch die gelbe Schleife, als er den Oscar für den besten internationalen Film „The Zone of Interest“ entgegennahm. Im Zentrum des Films steht der Auschwitzleiter Rudolph Höss, seine Familie und die Resultate der Dehumanisierung, welche in der industriellen Ausführung der Shoah gipfelte (wobei diese eher am Rande des Geschehens abläuft). Hierauf hielt er seine oft (fehl-) zitierte, einminütige Rede. Brisant war hierbei die Aussage, er sei dagegen, dass „seine Jüdischkeit oder der Holocaust von einer Besatzung missbraucht wird, die zu immensen Konflikten für Unschuldige führt, seien es die Opfer des siebten Oktobers oder der kontinuierlichen Attacken auf Gaza, alle sind sie Opfer dieser Dehumanisierung, wie leistet man hier Widerstand?“. Glazer war der einzige Preisträger, der den Konflikt bei seiner Rede ansprach und die Worte des jüdischen Filmemachers wurden immens kritisiert. So erhielt er einen von mehr als 450 (mehrheitlich jüdischen) Filmschaffenden unterzeichneten offenen Brief. Hier wurde erwidert, dass „sie es ablehnen, wenn ihre Jüdischkeit und der Holocaust missbraucht wird, um die Nazis moralisch mit Israel gleichzusetzen“. Doch sind die Reaktionen, die Glazer als Token-Juden, jüdischen Selbsthasser oder Textbuch-Antisemiten darstellen, mehr als nur überspitzt. Was er unweigerlich mit dieser Aussage darlegen wollte, ist nämlich ein echtes Problem. Die rechtsextreme Regierung unter Bibi hat nicht nur einmal den Holocaust relativiert oder das Judentum für sich in Anspruch genommen, seien es die ständigen Vergleiche der Hamas mit den Nazis, des siebten Oktobers mit der gesamten Shoah oder der wiederholte Auftritt des israelischen UN-Vertreters mit aufgenähtem Judenstern. Es bleibt jedoch offen, ob die Frage, Button oder Schleife, diejenige sein wird, an der Hollywood oder gar die jüdische Seele selbst zerbricht. Potential dafür hat sie allemal.

Jonathan Davidowicz

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