Kann sich diese Partei denn wirklich alles erlauben? 

Kann sich diese Partei denn wirklich alles erlauben? 

FPÖ liegt im Wahljahr 2024 vorne 

Sobald es darum geht, Mehrheiten oder mögliche Koalitionen bei Wahlen zu berechnen, rattern meine Gedanken in der Geschwindigkeit eines Taschenrechners. Ganz schön praktisch in einem Superwahljahr. Vor allem, wenn wir durch schon stattgefundene Landtagswahlen, Umfragen und eine unmittelbar bevorstehende Europawahl eine Unmenge an Daten haben, um einschätzen zu können, welche Partei das kleinste Übel der Österreicher:innen ist. Über die liebste Wahl wollen wir erst gar nicht sprechen. 

Und all diese Daten deuten auf ein Phänomen hin: Wir haben einen Rechtsruck in Europa, der vor Österreich nicht haltgemacht hat. In Österreich steht die FPÖ laut Umfragen seit einigen Monaten unbestritten auf dem ersten Platz. Seit Juli hinkt die SPÖ auf dem zweiten Platz mit einer Differenz von rund 6 Prozentpunkten hinterher. Deshalb stellt sich nun die Frage: Wie konnte es so weit kommen? Und was erwartet uns mit einem potenziellen Wahlsieger FPÖ bei den Nationalratswahlen 2024? 

Spulen wir mal kurz zum Anfang zurück, bevor Kickl sich zum Volkskanzler erklärt hat und bevor das berüchtigte Ibiza-Video mit dem ehemaligen Vizekanzler Strache entstand. 

Ein Sprachrohr für Nationalsozialisten

1949 gab es noch den Verband der Unabhängigen (VDU), 1956 dann die Freiheitliche Partei Österreichs – eine Partei von Nationalsozialisten für Nationalsozialisten. Erster Bundesvorsitzender der FPÖ war Anton Rheintaller, der früher Staatssekräter der Reichsregierung Hitlers war und sogar mit dem Ehrenrang eines SS-Generals ausgezeichnet wurde. So ging es dann auch weiter mit seinem Nachfolger Friedrich Peter, dem ehemaligen SS-Obersturmführer. Die FPÖ verlieh jenen Österreicher:innen eine Stimme, die sich nicht so ganz vom Nationalsozialismus losreißen wollten. 

Richtigen Aufschwung bekam die Partei aber erst unter Jörg Haider, der mit einer erfolgreichen Kampfabstimmung die Führung der Partei übernahm. Jörg Haider gründete später das BZÖ und wurde von HC Strache als FPÖ Obmann abgelöst. 

Im Jahr 2000 koalierte die ÖVP mit der FPÖ – eine
Premiere in Europa, denn nach dem 2. Weltkrieg hatten sich die moderaten Parteien über das politische Spektrum hinweg zusammengeschlossen, um einen Aufschwung des Rechtsextremismus zu verhindern. Dieser Pakt, der sogenannte “Cordon Sanitaire” wurde seitdem wieder erneuert, aber die vielversprechende Schutzmauer gegen rechtes Gedankengut, als die er geplant wurde, ist er nicht. 

Ein kurzer Blick auf das Parteiprogramm der FPÖ reicht, um herauszufinden, wofür diese Partei steht oder wogegen sie sich „wehrt“. Da geht es um die “Vorrangstellung der Ehe zwischen Mann und Frau” und dass “Österreich kein Einwanderungsland sei”. Wer von diesen noblen Werten noch nicht ganz überzeugt ist, muss nur für ein paar Minuten auf dem parteieigenen Medium “FPÖ TV” vorbeischauen. Die FPÖ ist bekannt dafür, sich einer populistischen Sprache zu bedienen, womit sie sich in den letzten Jahren eine echte Marke aufgebaut hat. Schließlich können wir uns alle an den berühmten Spruch „Daham statt Islam“ erinnern. 

Bei den unzähligen Skandalen der Freiheitlichen Partei spricht man gerne von „Einzelfällen“, wenn Funktionäre oder Abgeordnete zum Beispiel wegen NS-Wiederbetätigung oder Holocaust-Leugnung verurteilt werden. Aber diese Einzelfälle sind emblematisch für diese Partei, die immer wieder aufs Neue versucht, ihr rechtsextremes Gedankengut an den Puls der Zeit anzupassen. Von den 1950er Jahren bis heute. 

Vor genau fünf Jahren, kurz vor der Europawahl, wurde das Ibiza-Video veröffentlicht, wodurch die FPÖ für kurze Zeit ein Minus von etwa zehn Prozent verkraften musste, von dem sie sich schnell erholten. Ein wahrer Schlag in die Magengrube. Aber da stellt sich einem natürlich die Frage: Kann sich diese Partei denn wirklich alles erlauben? 

Volkskanzler Kickl 2025? 

Wenn wir im Oktober nach den Wahlen keine große Überraschung erleben, wird wohl die FPÖ als stimmenstärkste Partei den Regierungsauftrag bekommen. Aber in Österreich sind wir Überraschungen in der Politik schon längst gewohnt, und tatsächlich hat der Bundespräsident eine verfassungsrechtlich gewährleistete freie Wahl, wem er den Regierungsauftrag erteilt. Alexander Van der Bellen könnte auch eine andere potenzielle Bundesregierung angeloben, allerdings müsste es sicher sein, dass diese nicht bei einem Misstrauensvotum vor dem Parlament scheitert. 

Wie konnte es so weit kommen? Der rasante Aufstieg der FPÖ ist in einem globalen Kontext etwas nachvollziehbarer, aber keinesfalls verständlich. Kriegszeiten entfachen Unsicherheit und Angst in der Bevölkerung. Unsere Gesellschaft driftet weiter auseinander. Wir sind in einer Radikalisierungsspirale gefangen, die durch die sozialen Medien gefördert wird.  

Für junge Menschen ist bei der FPÖ natürlich auch etwas dabei. Es bietet sich zum Beispiel eine Burschenschaft an. So war etwa Norbert Hofer als Ehrenmitglied der Marko Germania zu Pinkafeld aktiv oder an einer Universität der Ring freiheitlicher Studenten, der in den letzten Jahren bei den ÖH-Wahlen allerdings keine großen Erfolge für sich verbuchen konnte. Zu ihren wichtigsten Inhalten gehört die „Entideologisierung der Universitäten” und die selbstverständlich bedeutsamste Frage unserer Zeit: Die Abschaffung der Verpflichtung zum Gendern bei wissenschaftlichen Arbeiten. 

In der Welt von Gestern schreibt Stefan Zweig: „Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug.“ Das ist kein Relikt aus der Vergangenheit, sondern eine Warnung für die Zukunft. Wenn wir die Bewegung der FPÖ nicht klar als das benennen was sie ist, riskieren wir damit unsere rationale Wahrnehmung der Welt – und was rechts wirkt, verankern wir als unsere neue Normalität. 

Esther Györi

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