Film Rezension: The Man in the Basement (2021)

Film Rezension: The Man in the Basement (2021)

Der Film „L‘Homme de la cave“ (engl.: “The Man in the Basement”) des französischen Filmemachers Phillipe Guay aus dem Jahr 2021 erzählt die Geschichte einer französischen Familie mit jüdischen Wurzeln, wie sie ihr Kellerabteil versehentlich an einen Holocaust-Leugner verkauft.

Simon Sandberg (Jérémie Renier) ist glücklich verheiratet mit seiner Frau Hélène (Bérénice Bejo). Ihre gemeinsame Tochter Justine (Victoria Eber) ist im pubertären Alter. Sie leben in einer großen Altbauwohnung in Paris, die bereits seit einigen Generationen im Besitz der jüdischen Familie Sandberg ist. Bereits Simons Großvater und dessen Familie wohnten dort. Nach der Shoah gelang es der Familie, die Wohnung trotz Widerständen zurückzubekommen. 

Heute entscheiden sich Simon und Hélène dazu, das Kellerabteil zu verkaufen. Simon, welcher im Bauwesen tätig ist, kümmert sich selbst darum, das Abteil herzurichten und findet auch schnell einen Käufer – einen älteren Mann namens Jacques Fonzic (François Cluzet), der seine (erfundene) tragische Vorgeschichte erzählt und damit Simon dazu verleitet, ihm vorzeitig den Schlüssel auszuhändigen und den Preis für das Kellerabteil herunterzusetzen. Wie sich schnell herausstellt, beginnt Jacques in eben jenem Kellerabteil, das eigentlich nur zu Lagerzwecken gedacht ist, zu wohnen.

Simon ist Jude. Seine Frau Hélène und damit auch ihre gemeinsame Tochter Justine sind dies nicht. Jedoch spielt Simons jüdische Identität keine Rolle für ihn. Ohne ihn zu kennen, würde man nichts davon wissen, und er würde es auch niemals ansprechen. Als Simon einen Käufer für sein Kellerabteil findet, denkt er sich nichts dabei und der Deal kommt schnell zustande. Was der Käufer ist, findet Simon erst im Nachhinein heraus. Denn Jacques ist ein “Négationiste”. Dieser Begriff bezeichnet die Leugnung oder Verfälschung von geschichtlichen Ereignissen, vor allem in Bezug auf Völkermorde, und fällt daher unter Geschichtsrevisionismus. In seinem neu erworbenen Kellerabteil schreibt Jacques nun regelmäßig pseudowissenschaftliche Beiträge für rechtsextreme Blogs, in denen er die Shoah teilweise verharmlost und teilweise gänzlich leugnet. Wie Simon im Nachhinein erfährt, wurde Fonzic deshalb bereits aus seinem vorigen Job als Geschichtslehrer entlassen. Nun wohnt er, unter Verachtung aller Hausbewohner:innen, im ehemaligen Kellerabteil der Familie Sandberg. Er benützt die Gemeinschaftstoilette im Hof und den Gartenschlauchanschluss. Die anderen Bewohner:innen des Hauses drängen Simon, den Mann aus dem Keller so schnell wie möglich hinauszuwerfen.

Zuerst versucht Simon, sich mit juristischen Mitteln zu behelfen. Als sich das jedoch aufgrund der französischen Wohn- und Eigentumsrechte als schwierig entpuppt und Fonzic anfängt, seine Ideologien und Ideen in die Gedanken von Justine einzupflanzen, versucht Simons Bruder David (Jonathan Zaccai), ihn von anderen Mitteln und auch einer neuen Anwältin zu überzeugen. Fonzic erfährt von den Bemühungen, ihn aus seinem neuen Heim zu entfernen, und beginnt daraufhin, Simon zu terrorisieren. Zusätzlich zu den kognitiven Anreizen, die er gut getarnt Justine gibt, fängt er an, Simon zu gaslighten. Er beschmiert die Wohnungstür der Sandbergs mit einem Davidstern und dem Wort “Juif” als Kennzeichen für die Präsenz eines Juden, wie dies die Nazis auch taten. Bei einer Versammlung der Hausmieter:innen lässt er allen Teilhaber:innen eine Kopie des Grundbuchauszugs zukommen, in dem noch immer die einstige Nazifamilie, die während der deutschen Besatzung im Haus wohnte, als Eigentümerin der Sandberg-Wohnung aufscheint. Während Simons Ehe, seine Beziehung zu seiner Tochter und seiner Familie schwer zu leiden beginnen, wird Fonzic von allen anderen Bewohner:innen mit Mitleid überschüttet. Schließlich platzt Simon der Kragen und er geht mit Feuer sowie physischer Gewalt gegen Jacques vor. Im Endeffekt ist es Simons Verzweiflung, die Jacques endgültig vor der Polizei als rechtsextremen Feigling entlarvt, obwohl seine Motive durchgehend offensichtlich waren. Andere wollten sie aber nicht sehen. Nach der physischen Auseinandersetzung ist Jacques spurlos verschwunden, und Simon und dessen Familie kehren zu ihrem normalen Leben zurück.

Der Film spiegelt sehr gut das Motto des diesjährigen Jüdischen Filmfestivals Wien wider. Israel: Utopie und Realität. Simon versucht mit sämtlichen legalen Mitteln gegen einen offensichtlichen Antisemiten vorzugehen. Er beruft sich auf den französischen Rechtsstaat sowie auch auf den Menschenverstand seiner Mitmenschen. In einer utopischen Welt funktioniert das. Die Realität zeigt jedoch, genau wie auch der Film, dass die Vorstellung von effektiver Antisemitismusbekämpfung mittels Rechtsstaat genau das ist, eine Vorstellung. Was Simon im Film schlussendlich zum Erfolg führt, ist die allerletzte Ressource: Gewalt. Und das, obwohl Fonzic selbst keine physische Bedrohung darstellt. Auch in Österreich ist die Realität des Antisemitismus heutzutage noch immer mehr als offensichtlich: Die Kontextualisierung(en) der Lueger-Statue (eine sinnloser als die andere), Neo-Nazis in Landes- und Bundesregierungen etc. Diese Liste ist leider endlos. Somit ist es keinesfalls verwunderlich, dass Jüdinnen und Juden oft nicht zur Antisemitismusbekämpfung motiviert sind. Wozu auch? In den meisten Fällen ist und bleibt es leider sinnlos (siehe die gerade angesprochene Liste), obwohl die (Vor)Fälle oft völlig offensichtlich sind. Auch im Film merkt der Inhaber des arabischen Stammcafés von Simon, dass Fonzic ein unglaublicher Rassist ist, denn er kaschiert es ja nicht. Realität ist nun mal, dass sich viele Menschen nicht eingestehen wollen, wie rassistisch und antisemitisch die Gesellschaft, in der wir leben, ist. 

Interessanterweise scheint während des Films nicht Simon, sondern dessen Frau Hélène am meisten von den Taten und Worten Fonzics schockiert und betroffen zu sein, obwohl sie keine Jüdin ist. Sie ist es, die unermüdlich versucht, Simon zu bewegen, sich endlich gegen Fonzic zu wehren. Sie ist es, die die Geschichte der Familie ihres Mannes ausgräbt und aufbringt, da er ihr nie davon erzählt hat. Für Simon war die Vergangenheit eben vergangen und dabei wollte er es belassen. Nicht für jede jüdische Person ist die Shoah das Lieblingsgesprächsthema – und das aus gutem Grund. Es ist nachvollziehbar, dass viele Jüdinnen und Juden sich von ihrer Religion abwenden, nach dem, was damals geschehen ist und dessen Folgen noch immer spürbar sind: Etwa dass es Typen gibt, denen es nicht reicht, dass unser Volk damals durch den Dreck gezogen wurde. Sie müssen heute das Gleiche mit der Asche unserer Vorfahren tun.

Rouven Margules

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