Mentale Gesundheit bei Student:innen

Mentale Gesundheit bei Student:innen

Wie du dein psychisches Wohlbefinden im Studium verbessern kannst

„Hey, wie geht’s dir?“ – Wann hast du diese Frage das letzte Mal ehrlich beantwortet? Und wann hast du sie dir selbst das letzte Mal gestellt? Die Psyche wird oft als Gipfel der Privatsphäre angesehen und ist daher für viele noch ein Tabu-Thema. Sie wird selten an die Oberfläche gebracht und normalerweise erst dann, wenn etwas nicht stimmt.

Wälzer und Fristen

Obwohl inzwischen bekannt ist, welche Ursachen zu einem niedrigeren Wohlbefinden im Studium führen, gehen viele das Thema immer noch ungern an. Hand aufs Herz: Dachtest du nicht auch schon einmal „Erholung? Nein. Ich muss mich einfach mehr zusammenreißen. Andere bekommen es ja auch hin.“ Da bist du wahrscheinlich in guter Gesellschaft. Inzwischen wissen wir aber, wie wichtig es ist, sich um unsere Psyche zu kümmern, um unser Wohlbefinden zu schützen.

Leider zeigt eine kürzlich durchgeführte Umfrage, dass das Wohlbefinden unter Student:innen alles andere als optimal ist: Laut einer aktuellen Studie von Studo und Instahelp gab 52 Prozent der 2.000 Befragten in Österreich und Deutschland an, einen weniger guten bis schlechten psychischen Gesundheitszustand zu haben. Viele gaben zudem an, unter depressiven Symptomen und Ängsten sowie unter hohem Leistungsdruck zu leiden. Einigen ginge es, ähnlich wie meinem Klienten David, so schlecht, dass sie psychologische Hilfe suchen. „Das Studium ist ohnehin schon super stressig. Durch den fehlenden Ausgleich aufgrund von Corona fühle ich mich echt antriebslos, gestresst und habe dadurch Schwierigkeiten, die erwarteten Leistungen zu erbringen“, erzählt er. Es ist also kein Wunder, dass das Interesse an psychologischer Hilfe steigt. Während der Corona-Pandemie stieg die Nachfrage nach Psychotherapie, laut einer DPtV-Umfrage (Deutsche Psychotherapeut:innen Vereinigung), um 40 Prozent an. Psychotherapie ist in einer akuten Belastungsphase mehr als empfehlenswert. Das Problem ist nur, dass gerade bei Stress-Thematiken schon viel früher hätte angesetzt werden können. Es ist also günstiger, zu versuchen, präventiv anzusetzen, sodass es gar nicht erst zu solch einer Belastung kommt. Was also tun, um das psychische Wohlbefinden im Studium zu schützen?

Zunächst ist es wichtig zu verstehen, woher die psychische Belastung überhaupt kommt. Dies ist sehr individuell, jedoch kommen in meinen Beratungssitzungen oft ähnliche Themen auf: hohe Leistungsanforderungen, soziale Medien sowie nicht zuletzt die Corona-Pandemie, die das Stress-Level in der Bevölkerung ohnehin erhöht (welches auch durch eine Längsschnittstudie, die 2021 im Journal Frontiers in Psychiatry veröffentlicht wurde, gezeigt werden konnte). Beim Gedanken an die nächsten Klausuren oder beim Rumscrollen des Instagram-Feeds befinden wir uns selten bewusst im Hier und Jetzt. Wir verlieren uns in ungesunden sozialen Vergleichen und Zukunftsängsten, was uns wiederum unzufriedener fühlen lässt.

Achtsamkeit

Hier kann die Praktik der Achtsamkeit helfen, da es dabei darum geht, sich bewusst und aufmerksam im gegenwärtigen Augenblick wiederzufinden, ohne zu urteilen. Wer Achtsamkeit aufrichtig und langfristig praktiziert, wird feststellen, dass es nicht von äußeren Faktoren abhängig ist, Glück und Wohlbefinden zu verspüren. Als Folge wird ein stabilerer Geist entwickelt, was bedeutet, dass man in schwierigen Situationen auf mehr Ressourcen zurückgreifen kann. Dies kann viele verschiedene vorteilhafte Auswirkungen auf eigene Bewältigungsmechanismen haben. Als Beispiel können reduzierte Stress- und depressive Symptome und damit eine verbesserte allgemeine Gesundheit, genannt werden.

Es kann tatsächlich wirklich einfach sein, achtsamer zu werden. Hier sind fünf konkrete Übungen, wie du mehr Achtsamkeit im Alltag kultivieren kannst:

  1. Atem: Achte auf deinen Atem, ohne ihn zu bewerten oder zu verändern.
  2. Umgebung: Nimm die Dinge um dich herum bewusst wahr.
  3. Beim Essen: Konzentriere dich voll und ganz auf das Essen.
  4. Body-Scan: Scanne deinen ganzen Körper im Liegen durch.
  5. Gehmeditation: Schenke jedem einzelnen Schritt deine volle Aufmerksamkeit.

Du kannst die Gelegenheit, Achtsamkeit zu praktizieren, vor allem dann nutzen, wenn du Routine-Tätigkeiten nachgehst oder sich in deinem Alltag eine Wartepause ergibt: Achte zum Beispiel beim Spülen darauf, wie sich das warme Wasser auf deinen Händen anfühlt oder achte beim U-Bahn-Fahren auf deine Atmung. Dies sind sehr kleine Übungen der Achtsamkeit, die jedoch eine große Wirkung bringen können.

Quarter Life Crisis

Meine Klient:innen kommen zudem oft mit anderen Anliegen, wie beispielsweise einer Orientierungslosigkeit, dem Gefühl, nicht genug zu sein und Angst vor falschen Entscheidungen, die man irgendwann vielleicht bereut. Oft ist die Ursache dieser Belastungen eine Sinnkrise. Da sie so verbreitet ist, hat sie sogar einen eigenen Namen: Quarter Life Crisis.

Der Sinn ist der Kern von allem, was wir tun. Viktor Frankl wies treffend darauf hin, dass jeder Mensch, für die optimale menschliche Entwicklung und um das Leben überhaupt lohnend zu machen, einen Sinn im Leben braucht. Er ist der Begründer der Logotherapie, einer Form der Psychotherapie, die er nach dem Überleben der nationalsozialistischen Konzentrationslager in den 1940er Jahren entwickelte. Nach seinen Erfahrungen in den Lagern entwickelte er die Theorie, dass man durch die Suche nach Sinn und Zweck im Leben Leid ertragen kann. Zudem schrieb er, dass jeder Mensch die Freiheit habe, seinen eigenen Sinn zu finden und dies könne von niemandem genommen werden. Wichtig ist für das Wohlbefinden also, dass man in mindestens einem Bereich des Lebens eine Art von Sinn und Bedeutung verspürt. Frage dich also selbst: In welchen Bereichen meines Lebens gehe ich meinem Sinn nach? Wie kann ich meinem Leben mehr Sinn verleihen?

Du

Zudem möchte ich dir folgenden Rat mitgeben: Ruhe und Zeit für dich selbst sind essenziell für deine mentale Gesundheit. Du kannst nicht aus einem leeren Glas gießen. Füll dir dein Glas mit jenen Dingen, die du gerne machst und welche dir Kraft geben. Oft wird man schnell vom Alltag abgelenkt und merkt gar nicht, dass wieder eine Woche vorbei ist und man keine Zeit für sich selbst hatte. Daher ist es manchmal eine gute Idee, sich kleine Erinnerungen oder sogar feste Termine mit sich selbst auszumachen.

Und vergiss nicht: Wenn es dir schlecht geht, ist der wichtigste Schritt, über das psychische Befinden zu sprechen. Unterstützung vom sozialen Umfeld ist immer hilfreich. Wenn du jedoch mit einer unabhängigen Person sprechen möchtest, kann ich dir auch nur empfehlen, dich an die Telefonseelsorge oder an Psychotherapeut:innen zu wenden. Wir sollten nicht unterschätzen, wie sehr das Sprechen über die eigene Psyche helfen kann. Wenn es dir nicht gut geht oder du dich verloren fühlst, ist es vollkommen legitim und sogar gut, sich Unterstützung zu suchen, vor allem für Student:innen, die ständig sozialen Vergleichen und enormem Leistungsdruck ausgesetzt sind.

EDEN KOSMAN
(Psychologin und Stressmanagement-Trainerin)

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