Wegen der Frauenwarat´s
Eine feministische Analyse zu den Wahlen in Israel
Wie kann es sein, dass Israel einerseits eine moderne demokratische Gesellschaft ist und Frauen dennoch so unterrepräsentiert sind? Israel ist nicht das Land der Heimchen am Herd, wie die Wehrpflicht für Frauen belegt. Damit sind sie in einer Männerdomäne präsent wie in keinem anderen westlichen Land. Und doch macht das Ergebnis der Wahlen vom 1. November deutlich, dass die Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft noch lange nicht angekommen ist. Sicherheitspolitische, wirtschaftliche und zunehmend religionspolitische Fragen nehmen einen höheren Stellenwert ein. Das Anliegen der Geschlechtergleichberechtigung wird dagegen als nachrangig betrachtet.
Zwei der Regierungsparteien (Schass; Yahadut HaTorah) akzeptieren Frauen noch nicht einmal als einfache Parteimitglieder. Sie erlangten 18 der 120 Sitze in der Knesset, innerhalb der Regierungskoalition haben sie 28 Prozent der Mandate inne. Andere rechtsextreme Parteien wie Otzma Yehudit und HaZionut HaDatit schließen Frauen zwar nicht aus, aber verkörpern dennoch ein Gesellschaftsmodell, das Frauen nicht besonders anzieht. Der Likud mit Netanyahu an ihrer Spitze vertritt im Gegensatz dazu noch eine gemäßigte Position. Doch auch diese Partei hat wenige Frauen in ihren Reihen (nur etwa jedes fünfte Mandat wird von einer Frau besetzt) und bei der komplizierten Regierungsbildung müssen erst die eigenen Platzhirsche zufriedengestellt werden. Im Hinblick auf diese Parteien und ihre sehr patriarchalen Prägungen ist es kaum möglich, dass die Interessen von Frauen irgendeine Rolle in der Regierung spielen.
Ein aktiver Kampf gegen Frauenrechte
Die neue Regierung hat ein klares Zeichen gesetzt: Frauen haben in ihr keinen Platz. Keiner der existierenden Minister hat eine Generaldirektorin für ihr Ministerium eingestellt. Im Gegensatz dazu wurden in der letzten Regierungsperiode noch neun Ministerien von Frauen geleitet. Das Ministerium für Erziehung untersteht einem Mann, der nicht einmal einen Schulabschluss hat (Assaf Tzalel). Es reicht also vollkommen aus, dass man kein Abgangszeugnis hat, solange man ein Mann ist. Das Ministerium für Gleichberechtigung leitet ein Mann (Amichai Shikli). Ein rechtskonservativer männlicher Politiker ist also zuständig für den sozialen und rechtlichen Status von Frauen. Der inzwischen zurückgetretene Kabinettsminister der israelischen Regierung (Avi Maoz) forderte, dass Frauen keinen Militärdienst leisten, sondern Kinder gebären sollten. Und die Regierung möchte nun das bislang geltende Diskriminierungsverbot abschaffen, damit religiöse Männer Zusammenarbeit und Dienstleistungen Frauen gegenüber verweigern können.
All das ist leider kein Scherz, sondern die neue Realität, mit der nun alle israelischen Frauen konfrontiert sind. Nicht nur sind Frauen dramatisch unterrepräsentiert, sondern die Abgeordneten wirken dem Kampf um Gleichberechtigung und Anerkennung aktiv entgegen.
Ein Rückschritt für Frauen
Warum wählen auch Frauen solche Parteien? Eine klare Antwort gibt es nicht. Allerdings lässt sich sagen, dass viele Frauen den politischen Prioritäten ihrer Milieus folgen und die Wahrnehmung frauenspezifischer Anliegen hintanstellen. Auch für sie stehen ökonomische, sicherheitspolitische und religiöse Fragen an erster Stelle. Das lässt die Situation manchmal etwas hoffnungslos erscheinen: Ohne eine adäquate Repräsentation von 51 Prozent der Bevölkerung finden Themen wie die Diskriminierung in der Arbeitswelt, Gender Pay Gap, sexuelle und häusliche Gewalt und vieles andere kein Gehör. Und doch wird der Kampf um Frauenrechte in Israel an erster Stelle von Frauen selbst vorangetrieben, welche sich durch die Ignoranz von Politikern ihren Themen gegenüber nicht abschrecken lassen.
Dabei scheint es, dass Israel schon sehr früh an der Spitze des Kampfes um Gleichberechtigung stand. Golda Meir war eine der ersten weiblichen Ministerpräsidentinnen der Welt, was wirklich eine historische Errungenschaft war. Allerdings gab es noch nie eine Frau als Finanz- oder Verteidigungsministerin und nur zwei Mal eine Frau als Außenministerin. Und das über die Amtszeit von 37 Regierungen hinweg. Leider macht Israel auch jetzt einen Rückschritt. Die letzte Regierung hatte den bislang größten Frauenanteil mit neun Ministerinnen. In dieser sind es nur noch fünf, eine niedrige Zahl wie seit Jahren nicht mehr. Frauen wird die Stellung einer Minderheit zugesprochen, obwohl sie mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen.
Noch gibt es Hoffnung
Dieser Artikel mag den Eindruck erwecken, dass Misogynie untrennbar von der israelischen Gesellschaft sei. So absolut ist es jedoch nicht. Frauen sind nach wie vor im gesellschaftlichen Raum sehr präsent und aus der israelischen Öffentlichkeit nicht wegzudenken. Die rechtsextremen und ultraorthodoxen Politiker nutzen die Mehrheitsentscheidung für ihre persönlichen demokratiefeindlichen Anliegen. Die weitreichenden Demonstrationen und Proteste dagegen zeigen ein anderes Bild auf. Ein Israel, das für Frauenrechte und für die Rechte all seiner Bürger:innen kämpft. Je mehr die führenden Politiker versuchen, die „Minderheiten“ der Gesellschaft zu schwächen, desto mehr kommen diese zusammen und zeigen Präsenz.
Nichtsdestoweniger ist ein Bewusstsein für die verletzliche Stellung der Frauen in Israel wichtig. Die vielfältige demographische Zusammenstellung Israels geht einher mit spezifischen Bedürfnissen und Konfliktlagen: Säkulare Frauen, orthodoxe und ultraorthodoxe Frauen, aschkenasische, misrachische oder arabische Frauen. Es ist eine Herausforderung, den unterschiedlichen Partikularinteressen gerecht zu werden. Was aber klar ist: iDe Grundrechte aller Frauen stehen auf dem Spiel, und Zusammenarbeit ist gefordert. Israelische Frauen sind für ihren Kampfgeist bekannt und dieser wird in den letzten Wochen immer sichtbarer. Sie sind hier und sie lassen sich nicht unterkriegen.
Alisa Offenberg