Antisemitische Israel-Fans

Antisemitische Israel-Fans

Seit einigen Jahren inszenieren sich immer mehr Rechte, Rechtspopulist:innen und völkische Rechtsextreme israelfreundlich, obschon sie die historischen und gegenwärtigen Hauptakteure des Antisemitismus sind. Ob das gute Verbündete sind?

Als 2021 in Israel die Raketen flogen, ließ der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz, der bereits über Jahre durch seine Hetze gegen “die Silbersteins” aufgefallen war, eine Israel-Fahne über dem Parlament hissen. Obwohl die Aktion für einiges Kopfschütteln sorgte, konnte man in Österreich diesbezüglich kaum mehr von der Rechten überrascht werden, nachdem bereits 2010 die ehemaligen Kurz-Koalitionspartner von der rechtsextremen FPÖ nach Israel gereist waren. Dort verkündeten sie ihre Solidarität mit Israel – jedoch vergebens, denn die FPÖ wird vom Staat Israel seit der Ära Jörg Haiders boykottiert. Dieser hatte nach allerlei widerlichen NSSprüchen um die Jahrtausendwende angesichts seiner überraschenden Regierungsbeteiligung versucht, die FPÖ von ihrem Nazi-Image (nicht von ihrem Nazi-Problem) zu befreien. Haider gelang dies schlechter als seinem Nachfolger HC Strache, der immerhin ins gelobte Land einreisen durfte, wo er dann mit dem Burschi-Deckel am Kopf Yad Vashem entweihte.

Die FPÖ reiste dabei nie alleine nach Israel, sondern gemeinsam mit einer europäischen Allianz von Rechtspopulist:innen und Rechtsextremen, die trotz antisemitischer Ideologie angeblich ihre Israel-Liebe entdeckt hatten. Ähnliches lässt sich für die antisemitischen Evangelikalen in den USA feststellen, die in der TrumpÄra besonderen Aufwind erlebten.

Doch woher kommt diese widersprüchliche Anbiederung?

Blut und Boden

Dieser Schwenk hat gewiss nichts damit zu tun, dass sie plötzlich ihren Antisemitismus abgelegt hätten, genauso wenig wie Adolf Eichmanns Obsession mit dem Judentum ihn davon abgehalten hat, ein glühender Antisemit zu sein. Ganz im Gegenteil: Der Antisemitismus in seiner Grundidee ist ein obsessiver Neid, denn Antisemit:innen betrachten Jüdinnen und Juden als die Auserwählten der Moderne und setzen sie demgemäß mit einer “ominösen Elite” gleich, die im Geheimen die Geschicke der kapitalistischen Welt lenken würde etwa, wenn George Soros von Rechten und Rechtsextremen wie Viktor Órban mit dem Vorwurf des “Großen Austauschs” bezichtigt wird, demzufolge er Migrationsströme gezielt auslösen und nach Europa lenken würde.

Die rassistische Rechte unterscheidet sich von der bürgerlichen Rechten vor allem dadurch, dass sie Grundprinzipien wie den Konkurrenzgedanken von der individuellen Ebene auf eine kollektive, eben die völkische Ebene hebt. Ein weiteres Grundprinzip der Ideologie des rechten politischen Spektrums ist das Privateigentum. Die völkische Rechte weitet diesen Eigentumsgedanken vom Individuum auf ein Volk, eine Rasse, eine Kultur aus. Ihr Leitsatz ist der von “Blut und Boden”. Die “Juden als bodenlose Rasse” galten insbesondere im Nationalsozialismus als größte Gefahr für jene Vorstellung, nach der jedem Volk (s)eine eigene Scholle zusteht, denn sie “zersetzen die Reinrassigkeit” der Menschen vor Ort.

Diese Ideologie des Rassenund Kulturessentialismus heißt in der neuen Rechten „Ethnopluralismus“, eine Ideologie, in deren Falle auch die antiimperialistische Linke gerne tappt. Der reaktionäre, linke Kulturessentialismus äußert sich unter anderem dort, wo Linke im Nahostkonflikt Israel zu einem westlichen Kolonialstaat erklären, der das den “indigenen” Palästinensern zustehende Land stiehlt. Dabei reproduzieren sie das rechte Motto von „Jedem Volk seine Scholle“. Bestimmte Landstriche wären unveränderbar mit einem klar definierten Volk verbunden.

Für antizionistische Linke ist also arabisches Blut auf der Scholle, die aus dem osmanischen, später britischen Mandatsgebiet Palästina hervorging, das einzig Legitime. Für die neue Rechte ist, seit sie zur “Verteidigung des jüdisch-christlichen Abendlandes” gegen die ehemals verbündeten “Horden des Islams” aufruft, jüdisches Blut – Pardon! – das jüdische Volk das Richtige. Hatten die Nazis noch offen mit dem notorisch antisemitischen Palästinenserführer Mufti Al-Husseini paktiert und Rechtsextreme bis vor kurzem Sprüche wie “Israel ist unser Unglück” skandiert, hat sich seit den 2010er Jahren etwa in der FPÖ oder der neu gegründeten AfD in Deutschland ein äußerlicher Positionswechsel vollzogen, den andere rechte Parteien schon hinter sich hatten.

Für die bürgerliche Rechte war und ist der moderne Antisemitismus mehr taktisch als ideologisch zu sehen, denn mit ihm kann man bei Bedarf die selbstverantworteten kapitalistischen Missetaten “den Juden” in die Schuhe schieben, in welcher Form auch immer. Das wusste bereits ein Karl Lueger um 1900, das weiß die ÖVP noch heute, wenn sie auf “die Silbersteins” schimpft.

Apokalyptischer Antisemitismus

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde im Westen etwas vorschnell das Ende der Geschichte ausgerufen, um dann den “Clash of Civilizations” zu beschwören, welcher ins Deutsche besser mit “Kampf der Kulturen” übersetzt wird, und der den Kalten Krieg als zentrale Konfliktgröße abgelöst hat (man denke etwa an den “War on Terror” oder Trumps Wirtschaftskrieg mit China). Dabei wird ein Endkampf, mal zwischen westlicher und östlicher, dann zwischen europäischer und asiatischer Sphäre, dann wieder zwischen jüdisch-christlichem Abendland und islamischem Morgenland postuliert, bevor das endgültige Ende der Geschichte und die Dominanz eines einzigen Zivilisationsmodells erreicht ist.

Bei den US-amerikanischen Evangelikalen, die Trumps Machtbasis stellten, wird das ganz ohne Umschweife ausgedrückt: Sie warten auf den Messias, den die Apokalypse bringen wird. Und diese Apokalypse hat leider irgendwas mit „Juden“ und dem Tempel zu tun, weshalb sie – trotz immensem Antisemitismus – glühende Unterstützer Israels sein wollen. Dass der Jude Selenskyj als zentraler Akteur im Krieg zwischen Russland und der Ukraine fungiert und es Gerüchte über Verhandlungen in Jerusalem gab, hat die Evangelikalen übrigens dazu motiviert, in diesem Konflikt die neueste Chance auf ihre heißersehnte Apokalypse zu sehen. Vladimir Putin wiederum, selbst ein völkischer Rechter, möchte die Ukraine “entnazifizieren”, obschon er so ziemlich jede rechtsextreme Partei Europas unterstützt hat.

Angesichts dessen sollte man sich immer die Frage stellen, ob man in Apokalyptiker:innen, ob nun religiös oder säkulär, wirklich vertrauenswürdige Verbündete sieht. Ebenso sollte opportunistischen Trump-Freunden wie Sebastian Kurz, der sich auch gern mal von Evangelikalen anbeten ließ und auf Geschäftsreisen zu den Mullahs im Iran fuhr, mit entsprechendem Misstrauen begegnet werden. Denn sie sehen es mit dem Antisemitismus mal so, mal so.

Über die Kameraden bei der FPÖ müssen wir eigentlich nichts mehr sagen, da sie nach Ibiza wieder zur extremistischen Kleinpartei geschrumpft sind und erneut offen gegen Israel hetzen.

ELIAS WEISS & ADRIAN JONAS HAIM

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